Abschied vom Tagebau Gerhard Gundermanns vierte Nachwende – CD „ Engel über dem Revier“
Gerhard Gundermann verließ als letzter Kumpel den Tagebau Scheibe in der Lausitz. Mehr als zwanzig Jahre verbrachte er auf dem Koloß, dessen Kabine ihm Arbeitsplatz, Schreibbüro und Proberaum zugleich war. Seine neue Compact Disk „Engel über dem Revier“ (Buschfunk) ist ein Abschied mit zwiespältigen Gefühlen.
Zwischen Rock‘ und Folk pendeln die Songs auf seinem vierten Nachwendeprodukt, das mehr Liedhaftes als seine Vorgänger hat. Melancholisch traurige Töne überwiegen, die Gundermann weicher und verletzlicher erscheinen lassen. Anmerken läßt er sich das nicht gern. Im Gespräch berichtet er lieber von Projekten, die er sich durch den Kopf gehen läßt: beispielsweise eine Kinderplatte vor allem für Tochter Linda. Beim Hören der Platte drängt sich der Gedanke auf, daß er mit, dem Vergangenen längst nicht abgeschlossen hat: wir haben im berg unsre alten vergessen der berg hat unsre kinder gefressen. . .“ Leise klingt sie immer wieder an, diese Traurigkeit vom ungelebten Leben. Morgen ist dazu Gelegenheit, nur heute nicht. Zweifel mischen sich unter auch am eigenen Ich , daß der Mensch sich ändert („aber bin ich wirklich von der Leine los“).
Wohl nicht zufällig fand „Fliegender Fisch“, den Gundermann für Tamara Danz schrieb, nach dem Tod der „Silly“ Sängerin auf die Platte. Aber er singt ihn anders weniger anklagend und mehr eigene (Berührungs )Ängste zugebend. Vielleicht setzt Gundermann mit seiner Seilschaft das Erbe von Tamara fort – reifer, selbstironischer, den eigenen menschlichen Schwächen mehr bewußt und daher weniger depressiv.
Gut, daß die beiden „Silly“ Musiker Uwe Hassbecker und Ritchie Barton die CD wieder produziert und einige Songs mit eingespielt haben. Vielleicht ist das die Reibung, die Gundermann braucht. Musikalisch bietet die CD „Engel über dem Revier“ auch genug Interessantes so der Reggae mit Saxophonbegleitung („Leine los“), der Mitsingsong „Owehoweh“ und das vielfältige Spiel der akustischen Gitarre in mehreren Liedern. Wenn es so etwas wie einen neuen Gundermann Klassiker gibt, dann ist das „Und mußt du weinen“. Text und getragene Melodie bleiben dank Flötenklängen und Gitarrenriffs im Ohr hängen: „und mußt du weinen dann liebe eine frau/doch liebe keine ausm tagebau . . .“