Manche Witze werden alt, andere immer besser. Seit die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot vor anderthalb Jahrzehnten daran ging, fortschrittlichem Liedgut aller Art mit großem Aufgebot den Marsch zu blasen, besteht kein zweifel mehr daran, dass Bertolt Brecht und Rio Reiser, das „Arbeiterkampflied“ und die Titelmelodie der „Raumpatrouille Orion“ gleichermaßen weltrevolutionäres Potenzial haben – zumindest, wenn sie im Repertoire eines deutschen Blasorchesters schwer angeschrägt werden und dabei ihrer ursprünglichen Intention auf überraschende Weise näher rücken.
Mit „Kämpfe“ legt das vielköpfige Blasorchester um den ehemaligen Kultmoderator und besessenen Nachrichtenschnipsel-Sammler Jürgen Kuttner nun einen neuen Beweis dafür vor, wie nahe Pathos und Satire einander kommen können, ohne sich wechselseitig zu zerstören. Zwischen „Foyer des Arts“ und Brecht, „Ton Stein Scherben“ und Hanns Eisler trötet und flötet sich das 20-köpfige Kommando aus Bläsern, Gitarristen, Sängern, Bassmännern und Rock- Schlagzeugern locker und jederzeit urkonzertmuscheltauglich durch 15 neu eingespielte Klassiker von „Mein Sohn, was soll aus Dir werden“ bis „Junimond“. Weil die Auswahl wieder stimmt und der Sound professioneller klingt als beim Schalmeienorchester von nebenan, ist das nicht nur schmissig, sondern auch lustig.
Die schräge Bearbeitung hält zudem für unentschlossene Hörer ein Hintertürchen offen: So, wie die Bolschewistische Kurkapelle „Keine Macht für niemand“ spielt, eignet sich der alte Westberliner Häuserkampf- Hit für jede Party – nicht nur in der Wohngemeinschaft.