Wer auf einen Nachmittag voll alter Schlager gefasst war, sollte überrascht – auf keinen Fall aber enttäuscht werden. „Diese andere Musik holt einen so richtig raus au dem alltäglichen Allerlei“, sagte die Wolgasterin Anita Wolf in der Konzertpause begeistert. Eine Spurensuche bedeutet für Sängerin Aurora Lacasa zu ihren spanischen Wurzeln; Lebenslinien, so der Titel ihres neuen Albums, das sie in der Stadtbibliothek vorstellte. Vielleicht war es ja gerade das Fehlen von jeglichem Trauerton um das „Früher“, das den überbordenden Applaus nach über zwei Stunden Konzert provozierte. Vielleicht auch die gelungene Mischung aus besinnlichen Momenten und spanisch oder lateinamerikanischen Rhythmen, die gute Laune machen.
Auf alle Fälle aber gewann Aurora Lacasa durch die Herzenswärme, die sie ausstrahlte, durch ihre fast zurückhaltende Art, die einen reizvollen Kontrast zu dem Temperament der meisten Noten bildete. Immer wieder brachte sie ihre Jungs in den Mittelpunkt, die ihren Gesang handgemacht begleiteten. Das „argentinische Wunderkind mit den Kulleraugen“ an der Harfe, Alfredo, Ernesto und Christian aus Chile mit Picollo-Flöte und Gitarre. Und schließlich Ruben, dessen passioniertes Gitarrenspiel in einem kleinen Berliner Club vor fünf Jahren sozusagen die Initialzündung für ihre Rückkehr auf die Bühne lieferte. Nicht, um der alten „auch schönen Zeit“, sondern um des Heute willen. „Man denkt tiefer über die Dinge nach als mit 20 oder 30“, erzählt die in Paris geborene und später in Ungarn und der DDR aufgewachsene Künstlerin, die als Kind eines spanischen Journalistenehepaars „Emigration“ buchstabieren gelernt hat. Die Melodien, die jetzt aus ihr sprechen, lassen spüren, wie groß ihr ist, was den Eltern Heimat war. Das rührende Adieu Papa – als dein Herz noch schlug, oder die Liebeserklärung an Cordoba etwa. „Ich singe was ich will und was mich bedrückt“: zuletzt ertönte ihre Umdichtung des deutschen Volksliedes, das sie zuvor mit den 200 gesungen hatte.