Kiel. „Moinsen!“ Da isser. Kommt erstmal solo auf die Bühne in Ringelshirt und Schal und kumpelt. Klar, Heimspiel zwischen „Karstadt, Kirche und Küste“, unweit der Schumacherstraße, wo Prahl während seiner Kieler Zeit in einer WG wohnte. „Man konnte vom Fußboden essen. Musste man auch, denn da lag das meiste.“ Kein Blatt vorm Mund, das Publikum wird geduzt.
Prahl mag Proll sein, aber Prahl ist auch toll. Schwupps die Gitarre gegriffen und Gershwin gegeben, Summertime kommt rau und fetzig und läutet den ersten Teil der Show ein: Vorbilder, Wegbereiter, Wegbegleiter. Authentizität ist King. Der Schauspieler schimmert immer durch den Gesang, im Menschlichen wohl auch identisch mit Anarchogestus, jungenhaftem Trotz und dieser wilden Mischung aus schalkhafter Mauligkeit, untersetztem Sex-Appeal und kugeliger Kleinmännerkraft.
Großes Pfund: Die brüchige Stimme, die den Beatles With a little help from my friends oder Rio Reisers Hymne So viele Jahre neue Facetten abgewinnt. Aber eben auch sehnen, sinnieren und sagen: „Du bist nicht allein, wenn du träumst von der Liebe“ – ohne jeden Schlagerkitsch.
Prahl, stilistisch vielleicht zwischen Tom Liwa und Klaus Lage, entpuppt sich vor allem im zweiten Set als Realist und Romantiker. Mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg als „Inselorchester“ und seinem doppeldeutigen Blick auf’s Mehr unter der Leitung von Danny Dziuk machen sich zwei Klaviere, E-Bass, Gitarre, Schlagzeug, Geige, Bratsche, Cello sowie Klarinette, Saxofon und Querflöte mit ziemlicher Wucht an einen effektreichen sinfonischen Klangteppich, der mit Butterbässen etwas zu stark in den Bauch geht. Weniger ist manchmal mehr. Kein Wunder, wenn der Taxi fahrende Tatort-Vater an den Tasten zur Linken säße, doch mit Dany Dziuk ist ein Freund, Förderer und prima Arrangeur, wenn auch ein bizarrer Reimer am (eigenen) Werke, das er zweimal zum Besten gibt.
Macht nichts, das rhythmisch vielseitige Wogen und Schwelgen für Prahl ist wichtiger, der triumphale Walzer; „Ich bin nun mal so“, in dem Prahl Leben und Eros beschwört, das zweckoptimistisch rhythmisch getriebene „Weitergehn“, die Poesie im melancholisch verlassenen „Wieso bist du immer noch da“ oder das feine „Liebe hat mir den Tisch gedeckt“. Höhepunkt ist die akzentreiche infernalische „polonaise internacional“ mit Polka, Klezmer, Gypsy-Marsch als Pamphlet gegen die globale Geschäftemafia, das „Mehr“, das Prahl zu Recht kritisiert.
Doch, er ist vielseitig: zärtlich raunender Sänger, mal trivialer, mal poetisch textender ruhiger Liedermacher, Kumpel und Cowboy, kann rauchend dirigieren, beängstigend schreien und (gespielt oder nicht?):Weinen. Naiv, trivial? Die stehenden Ovationen bekommt Axel Prahl sicher vor allem für das Sosein, seine Type, die direkte Nähe, seinen Charme, Witz und das musikalische Mitreißen. Aber eben auch für, tja: Talent.