BERLIN — Schauspieler Axel Prahl, bekannt u. a. als Münsteraner „Tatort“-Kommissar, veröffentlicht ein Album mit eigenen Liedern. Ein Neuling in der Musikwelt ist er aber mitnichten. Gunnar Leue sprach mit dem Künstler.
Freie Presse:Wenn man erst mit 51 Jahren sein Debütalbum heraus bringt, kann das zwei Gründe haben: Man ist erst spät auf die Idee gekommen oder man hat sich vorher nicht getraut. Wie verhält es sich bei Ihnen?
Axel Prahl: Ich hatte schon als 15-jähriger Piepel den Traum, eine Platte zumachen. Jetzt sind Rahmenbedingungen einfach so, dass ich mir den Luxus leisten darf. Außerdem hat in meiner Schublade einiges geschlummert. Ehrlich gesagt, hatte ich mich nur nie richtig getraut, es auszukramen.
Was hat geschlummert?
Einiges an Texten und Melodien. Bei den Arrangements, die ja eine Menge ausmachen, habe ich ganz viel Schützenhilfe von Danny Dziuk erhalten. Der hat u. a. für das jüngste Album von Annett Louisan etliche Songs geschrieben. Der Chefmeines Labels Buschfunk,KlausKoch, hatte mir 2008 zwei CDs vonDanny gegeben. Ich solle mal hören, ob ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen könne. Nach dem Anhören dachte dich sofort: Das passt! Wir verstanden uns auf Anhieb.
Ihr Debütalbumhätte also schon viel früher entstehen können, vor 30 Jahren?
InderTatwollte ich immer Musiker werden. Ich spielte ja schon als Jugendlicher Gitarre und später in einer Band namens Impuls. Aber ich musste mich einfach entscheiden zwischen Schauspiel und Musik, und den Ausschlag gaben notgedrungen finanzielle Gründe. Unser erstes Kind war unterwegs. Ich musste zusehen, einigermaßen Geld zu verdienen. Am Theater in Kiel, wo ich damals fest engagiert war, bekam ich regelmäßig 1000 Mark im Monat. Kein Vergleich zu den weniger üppigen Gagen der Band.
Wie weit wird die späte Verwirklichung Ihres Jugendtraumes Profimusiker gehen?
Man wird wohl nie beides, Musik und Schauspiel, in ähnlicher Qualität hinbekommen. Insofern heißt es, sich zu kaprizieren. Eigentlich haben sich beimir etwa alle sieben Jahre Veränderungen ergeben. Erst das Theater in Kiel, dann der Umzug nach Berlin, dann die Jahre bei Film und Fernsehen.Werweiß, vielleicht kann sich durch dieMusik für mich wieder eine andere Lebensperspektive eröffnen.
Raus aus der Flimmerbranche?
Ach, keine Ahnung. Ich weiß nur: Sag niemals nie. Natürlich bin ich im Film- und Fernsehgeschäft ziemlich verankert, insofern ginge das sowieso nicht von heute auf morgen. Ich habe mich in der Hinsicht immer durch mein Bauchgefühl leiten lassen.
Dass Sie auch singen können, wurde vielen Leuten überhaupt erst klar, als Sie zusammen mit Regisseur Andreas Dresen 2008 bei einem Tributkonzert für den 1998 verstorbenen Gerhard Gundermann auftraten.
Und dabei ist mir doch ganz schön das Herz in die Hose gerutscht, schließlich spieltenwir in Berlin vor rund 3000 Leuten.
Woher kannten Sie den singenden Baggerfahrer?
Wir hatten vor dem Mauerfall mit dem Schleswig-Holsteinischen Landestheater ein Gastspiel in Dresden. Da lernte ich ein paar Musiker kennen, und die gabenmir eine Kassette mit Gundermann-Liedern mit. Die gefielen mir sehr gut. Sie haben eine ähnliche Tiefe wie die Songs von Rio Reiser, mit dem ich ja groß geworden bin. Außerdem interessierte ich mich schon damals für den Osten, auch weil ich einige Dinge in der DDR gerechter empfand als in der Bundesrepublik.
Zum Beispiel?
Dass es nicht so eine Kluft zwischen Akademikern und Arbeitern gab und überhaupt die Bewertung von Arbeit. Bei uns im Westen war nie davon die Rede,wer eigentlich unsere Häuser baute, die Maurer nämlich. Dafür wurde unser einer permanent gefragt: Junge,was soll mal aus dir werden?! Man hat uns jungen Leuten schon relativ viel Angst gemacht: Wenn du nicht studierst, dann … Dahinter standen Existenzsorgen, die drüben offenbar kaum existierten. Aber ich will nichts romantisieren. Es gab in der DDR natürlich auch die Stasi, fehlende Reisefreiheit, einen Schießbefehl an der Grenze und ein absolut undemokratisches System, was sie letztlich wohl die Existenz kostete. Trotzdem bin ich nicht sicher, dass die freie soziale Marktwirtschaft der Weisheit letzter Schluss ist.
Worauf zielt der Albumtitel „Blick aufs Mehr“?
Der Titel hat natürlich eine starke Assoziation zum Maritimen, weil es in einigen Liedern auch um das Meer geht, zum Beispiel als Metapher für Sehnsucht und Abschied im Song „Reise, Reise“. Aber darüber hinaus geht esmir bewusst auchum das „Mehr“, also das Nachdenken über Dinge – wie gelegentlichen Verzicht, in vielerlei Hinsicht.
So hätte das jetzt auch Gundermann sagen können, der zeitlebens radikal konsequent handelte. Er war überzeugter Kommunist, Stasi-IM, Stasi-Opfer, nach der Wende beinharter Ökofreak.
Ich habe ihn nie persönlich kennen gelernt, fand aber seine gelebte Doppelrolle extrem interessant: Werktätiger und Musiker. Er war ein Mensch, der von beiden Seiten brannte und viel zu früh verstarb.