Andreas Dresen will im Herbst einen Film über den Liedermacher Gerhard Gundermann drehen. Doch jetzt singt er erst einmal mit Axel Prahl in Weimar.
Herr Dresen, Sie stammen ursprünglich aus Gera, obwohl Sie nicht allzu lange dort verweilten . . .
… nur die ersten zwei, drei Jahre, bei meiner Großmutter. Ich habe an Gera eigentlich gar keine Erinnerungen.
Nun las man aber jüngst im „Spiegel“ eine Reportage über Gera als die „Erschöpfte Stadt“. Prima Sujet für einen Dresen-Film, oder?
Dazu kann ich nichts sagen, weil ich mich in Gera viel zu wenig auskenne. Ich war kürzlich einen Tag lang dort, beim Festival „Goldener Spatz“, und habe mir das Haus angeschaut, wo ich wohnte, an der Sorge. Die Stadt machte einen schönen Eindruck.
Sie waren mit „Timm Thaler“ beim Festival in Gera, ein Film, der viele, viele Jahre bis zur Verwirklichung brauchte. Ähnlich ist das mit Ihrer Idee eines Gundermann-Filmes?
Ja, damit beschäftigte ich mich seit über zehn Jahren, kann man sagen. Laila Stieler schreibt das Drehbuch. Und wir hoffen, dass wir ihn im Herbst dann endlich drehen können. Es fehlen noch ein paar Finanzierungsbausteine, wie das eben immer so ist. Aber das wird sich alles in diesen Tagen entscheiden. Ich bin jedenfalls halbwegs guter Dinge.
Sind Sie von Hause aus geduldig?
Ich glaube zumindest, dass man als Filmemacher gut beraten ist, Geduld zu haben. Die meisten meiner Filme waren keine Schnellschüsse, sie haben sich über Jahre hinweg entwickelt. So ein Projekt durchläuft viele Drehbuchfassungen, dann ist lange kein Geld da. Man muss trotzdem weiter daran glauben. Deshalb halte ich mich schon für geduldig. Ich weiß aber Gelegenheiten beim Schopfe zu packen, wenn sie sich ergeben.
Wie jetzt beim Film über den Lausitzer Baggerfahrer und Liedermacher. Wann und wie sind sie ihm und seiner Musik begegnet?
Das war am Schweriner Theater, an dem ich groß geworden war. Intendant Christoph Schroth veranstaltete große Feste unter dem Titel „Entdeckungen“. Gundermann und seine „Brigade Feuerstein“ traten 1988 hinterm Eisernen Vorhang auf. Vorher hatte ich Richard Engels sehr schönen Dokumentarfilm „Gundi Gundermann“ von 1981 gesehen: ein kleiner Geheimtipp, der nur einmal spät in der Nacht im DDR-Fernsehen gesendet wurde, weil Gundermann ja eigenwillig und ungewöhnlich war. An ihm rieben sich viele.
Was machte ihn auf Bühnen aus?
Er besaß eine unglaubliche Glaubwürdigkeit. Auf den ersten Blick war er eine Arbeiterfigur. Um’s mit Else Lasker-Schüler zu sagen: mit den Füßen im Schlamm der Braunkohle, mit dem Kopf in den Sternen. Daraus bezog er seine besondere Kraft. Deshalb wurden seine Texte so schön erdverwurzelt. Er verweigerte jegliche Rockstar-Attitüde und trat mit Jeans, Fleischerhemd und Hosenträgern auf sowie einer Brille, die auch nicht so toll aussah. Er war trotzdem eine sehr faszinierende Erscheinung.
Gundermann wollte kein Berufskünstler sein, aus Angst vor der Kommerzialisierung. Schöne Idee! Er blieb im Tagebau, betrieb aber halt Raubbau an sich. Filmemacher im Nebenberuf wäre wohl nichts?
Das wäre schwierig, glaube ich (lacht). In der Musik mag das ja noch angehen, obwohl Gundermann eben verbrannte und nicht ohne Grund mit nur 43 Jahren starb. Er lebte zwei Leben. Nach Konzerten fuhr er zur Schicht im Tagebau, schlief dann ein bisschen und fuhr wieder zum Konzert. Zudem komponierte und textete er. Das kann nicht ewig gut gehen.
Als Filmemacher kann man natürlich auch intensiv leben, so wie Fassbinder nur 37 Jahre alt werden und dabei 40 Filme drehen. Ich verteile mir die 40 Filme lieber auf eine viel längere Lebenszeit. Ich lebe gerne und finde es schön, neben dem Beruf noch andere Dinge zu machen.
Was steckt dahinter, wenn Sie über Gundermann einen Film machen?
Das soll ganz klar mehr ein Film über das Leben in der DDR werden, als nur eine Künstlerbiografie: was das bedeutete, wie man sich dort einbringen und auch verstricken konnte. Wir richten uns an ein hoffentlich größeres Publikum als nur an Gundermann-Fans, obwohl die wichtig sind. Wir wollen auch andere dazu bewegen, sich mit diesem Leben und mit dieser Musik zu beschäftigen.
Ein Leben voller Widersprüche!
Gundermann war Opfer und Täter in einer Person: Arbeiter und Künstler, glühender Kommunist und Mitglied der SED, der in der DDR immer mehr Schwierigkeiten bekam, in den siebziger, achtziger Jahren IM bei der Stasi und dann selber bespitzelt. Das ist eine zerrissene Biografie, die sehr spannend ist. Die gehört erzählt. Einfache Geschichten über den Osten sind lange genug erzählt worden. Es wird Zeit, komplizierter zu erzählen.
Wie kam ’s, dass Sie selbst Gundermann zu singen begannen, beim Tribute zum 10. Todestag in Berlin?
Die Schauspielerin Petra Kelling, die mit Gundermann befreundet war, trat damals an mich heran. Ich sagte ihr, dass ich eher Lagerfeuer-Gitarre spiele. Sie meinte: „Macht nichts!“ Dann wurde daraus plötzlich eine große Nummer vor 3500 Leuten. Ich tat mich mit Gabriela Maria Schmeide und Axel Prahl zusammen, jeder von uns sang ein Lied. Das war so schön, dass danach immer wieder Anfragen kamen. Nach und nach entwickelte sich daraus ein Bandprojekt, das mittlerweile komplette Konzerte gibt. Für mich ist das eher ein Vergnügen neben der Arbeit. Das hat was unglaublich Befreiendes! Als Regisseur darf ich immer nur zugucken, hier darf ich auch mal mitmachen.
So wie schon 2012 in Weimar.
Unser erstes komplettes Konzert überhaupt. Wir waren sowas von aufgeregt! Und das sind wir immer noch.
Was hat sich seitdem verändert?
Wir spielen viel mehr Lieder, nicht nur von Gundermann, auch von Rio Reiser, Gisbert zu Knyphausen und Axel Prahl. Unter anderem spielt heute „Pankow“-Gitarrist Jürgen Ehle mit, für mich als „Pankow“-Fan der ersten Stunde ein großes Geschenk!
Welches ist Ihr Lieblingslied von Gerhard Gundermann?
Oh! Da gibt‘s ‘ne ganze Menge! Eines der schönsten, „Keine Zeit mehr“, spielen wir noch gar nicht. Das will ich unbedingt mal machen. Im Konzert gibt‘s zwei Nummern, die sich auf keinem offiziellen Gundermann-Album finden, nur auf später veröffentlichten Pressungen von Live-Auftritten: „Das war mein zweitbester Sommer, ich schlürf ihn aus bis zum letzten Zug“ ist eine. Ich persönlich singe gerne „Kommen und gehen“. Das schrieb Gundi vielleicht ein halbes Jahr vor seinem Tod; ein beredter Song über Leben und Sterben, bei dem ich jedes Mal Gänsehaut kriege.
Wie beeinflusst Sie Axel Prahl, mit dem Sie in „Halbe Treppe“ 2002 erstmals drehten, musikalisch?
Wenn wir auf der Bühne Musik machen, sind wir ein Gespann. Das macht große Freude! Ich traf ihn erstmals am Grips-Theater Berlin. Wir sahen uns und mochten uns sofort. Uns war relativ schnell klar, dass wir viele, viele Jahre miteinander gehen und arbeiten werden. Er spielt auch im Gundermann-Film mit.
Wer spielt Gerhard Gundermann?
Das verrate ich jetzt noch nicht.
Jemand, auf den man mit einigem Nachdenken kommen könnte?
Ich verrat‘s nicht!!! (lacht) – Aber ich glaube, wir haben einen sehr guten Darsteller für ihn gefunden.