wurde 1950 als Ralph Möbius in Berlin geboren und starb am 20. August 1996 in Fresenhagen.
Ab dem 12. Lebensjahr nimmt Rio Klavierunterricht, bringt sich selbst das Gitarrespielen bei und übt am Offenbacher Konservatorium das Cellospielen. Nach dem Abbruch der Schulausbildung und der Fotografenlehre wird er 1967 zusammen mit Ralph Steitz (später R.P.S. Lanrue – und häufig Mitautor der Songs) Schauspieler, Hauskomponist und Musiker in Hoffmanns Comic Theater in Berlin, dessen Gründung auf seine beiden älteren Brüder Peter und Gert Möbius zurückgeht.
1970 gründet Rio gemeinsam mit R.P.S. Lanrue (Gitarre), Kai Sichtermann (Bass), Wolfgang Seidel (Schlagzeug) die Band Ton Steine Scherben, deren erster Auftritt noch im gleichen Jahr beim Love-and-Peace-Festival auf der Insel Fehrmann vor Jimi Hendrix, aber durch die Suche nach dem mit der Gage geflüchteten Konzertveranstalter im Tumult unter-, aber in das Gedächtnis der Massen eingeht.
Mit der David Volksmund Produktion schaffen sie sich selbst das erste Indielabel in Deutschland und werden zu Pionieren einer autarken Musikszene, die bis in die Gegenwart starke Einflüsse ausübt. Ihre Alben „Warum geht es mir so dreckig?“ (1971), „Keine Macht für Niemand“ (1972), „Wenn die Nacht am tiefsten“ (1974), „IV“ (1981) und „Scherben“ (1983) werden zu Meilenstein deutschsprachiger Rockmusik, deren Wirkung bis heute anhält, nachwachsende Generationen auf ihren selbständigen Weg ins Leben immer aufs Neue begeistert und den Älteren unter uns noch nach 30 Jahren die Ohren klingen, die eigentlich längst müden Herzen aufgehen und die Augen nass werden lässt. Nach vielen umjubelten, aber finanziell desaströsen Tourneen und, diversen Hausbesetzungen flüchtet (fast) die Band 1976 aufs Land und kauft sich einen alten Bauerhof nahe der danischen Grenze, 30 km von Flensburg. Dort richtete sich TSS ein Tonstudio und auf ländliche Kommuneformen ein, doch endete
der wohl in Deutschland einmalige Musikkapitel 1985 als grandiosen Scheitern nicht nur mit enormen Schuldenlasten, sondern auch mit ungelösten Problemen innerhalb der Band, die bis ins Heute wirken.
Die Auflösung der Scherben ging einher mit Rio Reisers Solostart und mit der Veröffentlichung des Albums „Rio I.“ (produziert von Anette Humpe und Udo Arndt) die in einer zuweilen umstrittene, auch wechselhafte, aber im Ergebnis zu einer bemerkenswerten Solokarriere führte. Songs wie „König von Deutschland“ und „Junimond“ landeten in den deutschen Hitparaden, aber nicht immer in den Herzen der frühen Fans. Mit der Nachfolgeveröffentlichung „Blinder Passagier“ (1987) kam er im Oktober 1988 auch für zwei, schon damals legendäre Konzerte in die Seelenbinder-Halle nach Ost- Berlin. Es folgten „Rio***“ (1990), „Durch die Wand“ (1991), „Über Alles“ (1993) und schließlich das grandiose „Himmel und Hölle“ (1995).
Neben seiner musikalischen Karriere war Rio Reiser auch als Schauspieler anerkannt. Für die Hauptrolle in dem Film „Johnny West“ (1977, Regie: Roald Koller) erhielt er den Bundesfilmpreis in Gold. Später folgten weitere Filmrollen, u.a. „Die Nacht mit Chandler\\\“ (1979) oder etwa im Tatort „Im Herzen Eiszeit“ (1995), für dessen Folgen er mehrfach die Filmmusik beisteuerte.
Nach seinem plötzlichen Tod wird Rio im Garten des Bauerhofes in Fresenhagen bestattet. Am 1. September 1996 nehmen u.a. seine alte Band Ton Steine Scherben, die Einstürzenden Neubauten, Engerling, Freygang, Ulla Meinecke, Marianne Rosenberg oder Herbert Grönemeyer im Berliner Tempodrom in Form eines mehrstündigen Konzertes -Abschied von Rio. Nur eine Woche nach Rios Tod spontan organisiert, wird dies zu einem unkonventionellen, unprätentiösen und bewegenden Konzert mit einem Publikum wie im (letzten) Rausch. Im Oktober 1996 werden der Verein Rio-Reiser-Haus e.V. und später das Label Möbius von seinem Bruder Gert gegründet, welches das künstlerische Erbe und den Nachlass betreut und in höchst gediegenen Ausgaben (u.a. Am Piano 1 + 2) der Öffentlichkeit vorstellt. Die Schaffung und Verleihung des Rio Reiser- Songpreis wird zu einem begehrten Wettbewerb des Nachwuchs.
Musikalische Nachfolgeprojekte wie Jan Plewkas artifizieller Rio-Abend am Thalia Hamburg, das eher folkloristisch- nostalgische, aber lebendige Zusammentreffen in der Scherben-Family (ab 2003) oder Neues Glas aus alten Scherben (1999) sowie mehrere Tribut-Sampler erinnern und bereichern die Auseinandersetzung mit Rio Reisers Erbe. Das Erbe der Scherben gerät dagegen immer mehr in den Strudel widerstreitender Interessen und Intentionen und führen Ende 2007 zur Blockierung dieses an sich beispiellosen, besser beispielhaften Back-Kataloges.
Im Herbst 2016 wird erstmals wieder der Gesamtkatalog der durstenden Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Das Gesamtwerk von TSS- eine 13-CD- Box, schon einmal bei Möbius Rekords / BuschFunk erschienen – wird wieder aufgelegt und mit einer LP-Ausgabe, im Zuge des neuen Vinyl-Fiebers – draufgelegt.
Anlässlich seiner 20. Todestag im August 2016 gibt es eine Vielzahl an Aktivitäten und (Wieder-) Veröffentlichungen. Der Höhepunkt ist aber ganz sicher die BLACKBOX Rio Reiser, die Ende Oktober 2016 erscheint, und mit 16 CD und 350 Songs zu einer Gesamtschau bislang, Achtung, unveröffentlichter Aufnahmen wird.