1970 gründet Rio Reiser gemeinsam mit R.P.S. Lanrue (Gitarre), Kai Sichtermann (Bass), Wolfgang Seidel (Schlagzeug) die Band Ton Steine Scherben. Ihr erster Auftritt am 6.9.1970 fand gleich beim Love-and-Peace-Festival auf der Insel Fehrmann ( zugleich der letzte Auftritt von Jim Hendrix) statt. welcher durch die Suche nach dem mit den Gagen (500 DM für die Scherben) geflüchteten Konzertveranstalter im Tumult unter-, aber in das Gedächtnis der Massen einging.
Mit der David Volksmund Produktion schaffen sie sich selbst das erste Indielabel in Deutschland und werden zu Pionieren einer autarken Musikszene, die bis in die Gegenwart starke Einflüsse ausübt. Ihre Alben „Warum geht es mir so dreckig?“ (1971), „Keine Macht für Niemand“ (1972), „Wenn die Nacht am tiefsten“ (1974), „IV“ (1981) und „Scherben“ (1983) werden zu Meilensteinen deutschsprachiger Rockmusik, deren Wirkung bis heute anhält, nachwachsende Generationen auf ihren selbständigen Weg ins Leben immer aufs Neue begeistert und den Älteren unter uns noch nach 30 Jahren die Ohren klingen, die eigentlich längst müden Herzen aufgehen und die Augen nass werden lässt.
Nach vielen umjubelten, aber finanziell desaströsen Tourneen und diversen Hausbesetzungen flüchtet (fast) die Band 1976 aufs Land und kauft sich einen alten Bauerhof nahe der dänischen Grenze, 30 km von Flensburg entfernt. Dort richtete sich TSS ein Tonstudio und auf ländliche Kommuneformen ein. Doch endete das wohl in Deutschland einmalige Musikkapitel 1985 als grandioses Scheitern nicht nur mit enormen Schuldenlasten, sondern auch mit ungelösten Problemen innerhalb der Band, die bis ins Heute wirken und seit einigen Jahren zur Blockierung des eigentlich unverzichtbaren Scherben-Kataloges führte.
Die Auflösung der Scherben ging einher mit dem Beginn von Rio Reisers Solokarriere. Nach Rios frühen Tod (1996) gab es einige Archiv-Veröffentlichungen wie Live III und eine vorzügliche, heute hochgehandelte Scherben-Box, eine Vielzahl von Tribut-Alben sowie mit „Neues Glas aus alten Scherben“ u.a. (mit Kai Sichtermann, Funky Götzner und Dirk Schlömer) und mit der Ton Steine Scherben „Family“ mehr an die große Zeit erinnernde als denn wirklich erlebbar machende Live-Projekte.
Zwischen 2015 und 2009 wird BuschFunk der exklusive Vertrieb des Scherben-Kataloges anvertraut. Höhepunkt dabei, die Herausgabe der Scherben-Box mit allen regulären Studio- und Livealben der Band.
Danach – aber nicht wegen uns – schmort das Gesamtwerk in den Archiven, da sich nicht alle Beteiligten auf eine neue Vereinbarung einigen können. Die Stimmung ist mies, die Fans verstimmt.
Was wirklich bleibt, ist der immer wieder aufs Neue beginnende Ansturm junger Leute auf die Scherben-Songs, deren Urgewalt und Lebenslust, Poesie und Radikalität scheinbar durch alle Zeiten als Mutmacher und Emanzipationsmuster dient.
Im Dezember 2015 werden bei Indigo alle Scherben-Titel wieder verfügbar.
Die angedachten Feierlichkeiten zu 50 Jahre Scherben werden durch die Corona-Pandemie leider kräftig eingedämpft.