Ein erster Nachruf

von Imre Sonnevend, Ostsezeitung

In der Nacht zum vergangenen Montag verstarb in Berlin im Alter von 56 Jahren André Greiner- Pol, Sänger und Texter der ostdeutschen Bluesrockband Freygang, an Herzversagen.

Zu DDR- Zeiten wurden Freygang ab Anfang der Achtziger Jahre durch ihr unangepasstes Auftreten und provokante Texte Kult bei vielen ebenfalls nach Alternativen zum grauen DDR Alltag suchenden jungen Menschen.

Freygang- Konzerte waren immer ein wichtiger Treffpunkt des DDR Untergrundes – einer bunten Mischung aus Aussteigern und Nonkonformen, magisch angezogen vom Habitus der Band und der textlichen Aussagekraft deren Sängers.

André Greiner Pol war eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten – ein echtes Original, dem man das Prädikat -Mensch- mit ruhigem Gewissen verleihen konnte!

Diese geballte Ladung Kraft und Wut, die durch André und Freygang von der Bühne kam, hatte viele Menschen nachhaltig beeindruckt und derer Leben entscheidend geprägt!

Das, was Freygang machten, hatte nichts zu tun mit kleinbürgerlicher Anpassung in der DDR, das war der Aufruf zur Revolte!

Ungezügelte Lebenslust und Anarchismus gegenüber Einengung persönlicher Freiräume und Unterdrückung von Individualität.

Die Quittung durch die herrschenden Genossen kam in immer wieder kehrenden Auftrittsverboten für Greiner- Pol und seine Band.

Was Freygang nur noch bekannter und beliebter machte!

In der Wendezeit blühte André richtig auf, er war maßgeblich beteiligt an der Besetzung der späteren Kunst- Häuser, die unter den Namen Tacheles und Im Eimer überregionale Bedeutung erlangten.

Endlich war es auch möglich, Tonträger offiziell aufzunehmen und zu veröffentlichen: Die letzten Tage von Pompej, auf der Freygang mit den befreundeten Bands Firma und Ich Funktion zu hören ist, war die letzte LP, die in der noch bestehenden DDR gepresst wurde.

Vorher waren nur illegale Livemitschnitte unter der Hand erhältlich, immer und immer wieder kopiert.

In den Neunzigern hatte André einige Sinneskrisen aufgrund wechselnder Bandbesetzungen und sinkender Zuschauerzahlen zu überstehen.

Er stemmte sich gegen diese Situation mit Hartnäckigkeit, seine Waffe war seine Kreativität.

Neben der Veröffentlichung von gesuchtem Archivmaterial, wie auf Steil und geil, Live in Ketzin oder „Berlinverbot“ zu hören, kamen so wunderbae Platten wie Landunter, Aus Liebe oder No. 9 heraus, die auch unter neuen gesellschaftlichen Verhältnissen fortführen, was Freygang Anfang der Achtziger begonnen hat.

Bücher wie Peitsche – Osten – Liebe oder XXX Songs 1977 – 2007 geben Einblick in ein anderes Leben innerhalb der DDR.

André Greiner- Pol ist tot, ein wichtiger Protagonist der unangepassten Kunst- und Musikszene zweier deutscher Gesellschaftssysteme ist gegangen, seine Lieder leben weiter.

Eine Antwort hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst einige HTML-Tags verwenden.

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>