Schein und Sein, Rock und Pop, Schwarz und Weiß. Mit ihrem neuen Studio-Album feiern Mutabor ihre erste Veröffentlichung seit der Reunion 2009. Diese hatte die Band mit einer Deutschland-Tournee zelebriert und auch in diesem Jahr soll es mit dem Startschuss der neuen Scheibe, die jetzt erschienen ist, wieder auf Reise durch die Republik gehen.
Mutabor ist eine Verbform des lateinischen «mutare» und bedeutet soviel wie «Ich werde verändert» oder «Ich verändere mich». Für die Band ist dieser Name gleich in dreierlei Hinsicht Programm.
Zunächst hat sich seit der Gründung 1991 über die Trennung 2006 bis hin zum jetztigen Album einiges am Musikstil der Berliner geändert. Um deren ungewöhnlichen Mix zu charakterisieren wurde einst der Begriff «Blockflötenpunkrockfolk» geprägt. Dieser hat sich inzwischen etwas aufgelockert und wurde im Laufe der Zeit durch Reggae-, Ska- und Pop-Elemente erweitert. Zur festen Instrumentierung der Band zählen dabei Gesang, Flöte, Violine, Gitarre, Bass und Schlagzeug.
Ebenfalls regelmäßig verändert hat sich seit den Anfängen der Band auch deren Besetzung. Neben Frontmann und Songwriter Axel Steinhagen, den Fans unter seinem Pseudonym Axl Makana bekannt, zählen Anita Ratai (Akkordeon, Klarinette, Flöte, Altsaxophon), Helen Bauerfeind (Violine) Pay Kohn (Bass) und Ulf Jacobs (Schlagzeug), seit langem oder längerem zum Stammpersonal. Neu ist E-Gitarist Daniel Hoffknecht, der die Band seit ihrer Wiedervereinigung bereichert. Mit Das Blaue versuchen sich die Berliner an ihrem insgesamt vierten Studioalbum.
Und zum Dritten sollen auch die Songtexte verändern, die sich in Das Blaue genauso abwechslungsreich zeigen wie die Musikeinflüsse der Band, zugleich inhaltlich aber weiser geworden sind.
«Es lebe die Menschlichkeit!»
«Willkommen zum Ausverkauf» heißt Mutabor den Hörer zu Beginn des Albums willkommen und prangert darin eine Gesellschaft an, die der «Körperkultur», «Wunschträumen aus Silikon» und dem Drang nach «unendlicher Party» verfallen ist. Auffällig bleibt, dass sich dieser gesellschaftskritische Unterton durch eine Vielzahl der zwölf Songs zieht. Mutabor geißelt dabei sowohl Egozentrik als auch Vereinsamung in einer Welt, in der Chancengleichheit eine Täuschung ist und der Mensch, «immer unterwegs nach den geilen Dingen wovon sie in der Werbung singen», dem Konsum frönt. Mutabors Texte desillusionieren, indem sie die Illusion des Alltags enttarnen. Jedoch tun sie dies auf eine Art, die es auch versteht, wieder Mut zu schöpfen.
Ob die Melancholie in Jamma, Hoffnung und Verzweiflung in Mut oder bekennende Intimitäten in Sex: In vielen der Songtexten spiegeln sich dem Hörer alltägliche Gefühlslagen oder Gedankengänge wieder. Diese reflektive Ausrichtung mag wohl einer gewissen Altersweisheit der Band entsprechen. Bei all den kritischen Tönen weist uns Mutabor mit Viva la humanidad immerhin auch einen goldenen Ausweg aus dem «Fehler im System». Sich nicht «wie ein Lemming» regieren lassen, sondern die Kraft aus dem Miteinander zu ziehen ist das Rezept: «Viva la humanidad esa es nuestra fuerza» («Es lebe die Menschlichkeit, das ist unsere Kraft»).
Das Reunion-Album der Berliner Combo weiß mit seinem Mix aus Punknummern, Balladen und rockig-poppigen Songs zu gefallen. Poesie («Ein flüchtig Kuss bittet um Asyl») wechselt mit Alltagssprache («Ich bin ausgelöffelt, abgerockt»), die Texte sind keine bloßen Mainstream-Reime, sondern äußern tiefergehende, gesellschaftskritische oder persönliche Töne. Es ist eine Platte geworden, die Botschaften vermitteln will, ohne dabei zu kryptisch zu wirken.