Leipzig. Er schrieb Zeilen, da wird man blass vor Neid. Er hörte das nervige, laute Kreischen eiserner Ketten – und notierte Verse voller poetischer Bilder. Gerhard Gundermann, Baggerfahrer und Tagebau-Malocher. Ein Kerl aus dem proletarischen Bilderbuch. Der Liedermacher von einem anderen Stern. 1998
jung gestorben. Ein Überlebender mit seinen Songs.
Andreas Dresen, der Film-Regisseur („Sommer vorm Balkon“), und Alexander Scheer, der Schauspieler, touren seit „Gundermann“, der Kino-Biografie, mit einem Gundermann-Revival durch die deutschen Lande. Nun machten sie bereits zum vierten Mal Station in Leipzig. Nach den 130 Minuten auf der voll
besetzten Geyserhaus-Parkbühne am Freitagabend machte nur ein Wunsch die Runde: am nächsten Tag könnte es sofort das fünte Mal sein.
Durch das Gundermann-Universum
Eine Rundreise durch das Gundermann-Universum in 16 Liedern (davon zwei Cover), etwas Pankow („Stille“) und Rio Reiser („Schnüfflersong“), David Bowie („Heroes“) und Die letzten Ecken – und ein bisschen mehr Gisbert zu Knyphausen. Ein Lieder-Bruder im Gundermann-Geist. Ein realistischer Poet
der Stimmungen. Ein Welterkunder zwischen Liebe, Tod und Teufel, Natur und Gefühl, Seelen-Regung und Zeitenfarben. So wie Gundermann. „Lass den Gashahn zu, wer soll denn die Rechnung bezahlen, du dumme Kuh“, textete der Prophet 1995 („Wenigstens bis morgen“). „Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse“, träumte er 1988 („Männer und Frauen“).
Zeilen von berauschender Schönheit
Der Rhythmus wechselt locker zwischen Zorn und San_wut. Gundermann packte Bitteres in Bilder („Das war mein zweitbester Sommer“), die unter die Haut gehen, und Desillusionen („Ich mache meinen Frieden“) in kleine Hoffnungen. Trotz alledem. „Die Pilze sollen wieder in die Bomben kriechen und die Bomben wieder in den Flugzeugbauch“ („Soll sein“) ist mindestens so schön wie „Ich laufe um mein Leben und gegen den Lebenslauf“ („Keine Zeit mehr“). Wenn Gundermann trotzig seine Pleite-Grube besingt („Brigitta“) läuft es einen kalt den Rücken runter. Wenn er auf eine späte Liebe blickt („Linda“), fallen ihm Zeilen von berauschender Schönheit ein. Andreas Dresen und Alexander Scheer, meist mit Akustik-Gitarre, wechseln sich ab. Mal singt der eine, mal der andere, mal gehts gemeinsam. Scheer holt
immer mal wieder die Mundharmonika und gibt den Songs Weite („Europa“, Springsteens „Racing in the street“). „Und musst du weinen“ erwischt einen eiskalt – mit Mundi und Keyboard-Akkordeon. Jürgen Ehle (Pankow) macht immer mal wieder den Gitarrero – und Andreas Dresen zaubert mit Ukulele Atmo. Was den Balladen („Gras“) einfach gut tut. Hin und wieder geht es uptempo („Die Zahlen“, Ehle singt) oder rockig („Alle oder keiner“).
Melodien, die ins Ohr und in die Beine gehen
Überraschend immer wieder, wie die lyrischen Ansichten Gundermanns ihre Absichten in Melodien manteln, die schlichtweg ins Ohr gehen. Oder die Beine. So wurde um die Parkbühne auch getanzt – und auf der Parkbühne mitgesungen. Die bunten Lichter über der Band blieben dezent. Die Sonne blickte ja noch über die Bäume. Darunter musste es einem einfach warm ums Herz werden.
Gabriele Brenneisen sagt:
STUTTGART! Ja, man glaubt es kaum, aber auch im Schwabenland kennt man Gundermann! Das Konzert mit Alexander Scheer war großartig.
Ein ganz besonderes Konzert mit großartiger Band.
Vielen Dank für diesen superschönen Abend!!!!