BERLIN – Die soeben gegründete Band P-D-S löste sich nach dem ersten Auftritt wieder auf. Nicht, dass der gemeinsame Auftritt von Prahl-Dresen-Schmeide ein Reinfall gewesen wäre. Aber man war sich im improvisierten Singeklub vorher einig geworden, dass es lediglich eine Vorstellung geben sollte: ein kleines Ständchen zu Ehren des Liedermachers Gerhard Gundermann, der auf den Tag genau vor zehn Jahren, am 21. Juni 1998, gestorben war.
Musikerkollegen, Familie, Freunde und Fans hatten sich am Sonnabend in der Berliner Columbiahalle zu einem Gedenkkonzert versammelt, das vom ostdeutschen Musikverlag Buschfunk organisiert wurde. Zwei Jahre hatte Buschfunk-Chef Klaus Koch mit den Vorbereitungen und der Frage zugebracht, welche Künstler auf der Bühne die Lieder des Baggerfahrers singen sollten.
Mit den Auftritten von Silly, der Randgruppencombo, Polkaholix und einer Wiederbelebung von Gundermanns Seilschaft hatte man rechnen können. Dass sich Filmregisseur Andreas Dresen und zwei seiner Schauspielfavoriten, Gabriele Maria Schmeide und Axel Prahl, als gar nicht mal schlecht singende Gundermann-Fans outen würden, überraschte dann doch. Mit dem Filmtrio zog ein wenig Lagerfeuer-Atmosphäre in die ehemalige GI-Turnhalle am Flughafen Tempelhof ein.
Dresen, der einst im Potsdamer Lindenpark das legendäre Danz-Gundermann-Konzert miterlebt hatte, schnallte sich die Akustikgitarre um, auf der er mit etwas schweren Fingern die Ballade „Linda“ zupfte, stimmlich begleitet von rund 3000 textsicheren Zuhörern. Es gehe doch nichts über ein gemeinsam gesungenes Lied, befand auch der längst als Ossi eingemeindete Schleswig-Holsteiner Axel Prahl, der die Tori-Amos-Coverversion „Vater“ vortrug. Die Lausitzerin Gabriele Maria Schmeide schickte zunächst einen slawischen Gesangsgruß an den verstorbenen Tagebaukumpel, der in ihrer sorbischen Heimat die Braunkohle aus der Erde geholt hatte. Auf eine Tracht verzichtete die Lokalpatriotin und trat lieber rockig in schwarzer Lederkluft auf. Ihr orgiastisch gegröltes „Herzblatt“ übertraf die röhrende Gundermann-Fassung dann mühelos in der Anzahl an Kehllauten.
Dass aus dem kurzen Fremdgang in anderer Künstler Gärten keine verirrte Selbstdarstellung wurde, lag am ausgewogenen Maß Selbstironie und Gundermann-Verehrung, welche das Trio auf der Bühne zeigte.
So gelungen war nicht jeder Auftritt. Die Berliner Schauspielerin Nora Tschirner suchte vergeblich nach einem angemessenen Tonfall in Tobias Morgensterns Neufassung von „Fliegender Fisch“, die innerer Ruhe und Stimmgewalt bedürft hätte. Was nicht heißt, dass Berliner Gören keine Gundermann-Lieder singen können. Winnie Böwe, die wie Tschirner demnächst in Tobias Morgensterns „Theater am Rand“ zu erleben ist, legte mit „Rattenfänger“ und Sillys „Paradiesvögel“ zwei höchst eigenwillige, doch stimmige Interpretationen vor.
Die stärksten Momente des fast vierstündigen Abends waren jedoch jene, in denen die Beteiligten Mut zur Lücke zeigten und die Plätze vor den Sängermikrofonen leer blieben. So wurde das Danz/Gundermann-Duo „Einmal“ zu einem melancholischen Instrumentalstück, das die Stimmen der einstigen Solisten dort beließ, wo sie ohnehin sind: in den Herzen der Fans.
Info Gerhard Gundermann. Alle oder keiner – Best of. CD / DVD, Buschfunk.