Der Musiker Gerhard Schöne bleibt sich beim Wunschkonzert in der Dessauer Marienkirche treu Die einen flattern, straucheln, stürzen, die anderen segeln willig zur Bühne – und einige Papierflieger landen im Käscher des Clowns. Schon startet der Sänger seine Rundumflüge um die barfüßige Seele.
„Das Wunschkonzert“ heißt Gerhard Schönes aktuelles Solo. Am Freitag gastierte der sächsische Pfarrerssohn mit Gitarre, Hut und Mütze in der Dessauer Marienkirche. Erst bespricht Schöne hinter der Pappnase in strebsamer Kindlichkeit Begehrlichkeiten mit dem Weihnachtsmann. Dann singt er dieses Lied, das einem eiskalt den Rücken herunter schlägt. Die Geschichte hatte Astrid Lindgren aufgeschrieben. Es ist die Geschichte eines Jungen, der den Stock für die ihm angedrohte Prügelstrafe eigenhändig aus dem Garten holen soll und der Mutter einen faustgroßen Stein übergibt.
123 Lieder standen auf den Zetteln, die – vom Publikum zu Fliegern gefaltet – jeweils drei Wünsche transportierten und in einem beherzt clownesken Zwischenspiel landeten. „Spar deine Liebe nicht am Tage für ein paar Minuten in der Nacht“: Der verschenkte Wein, Samenkorn und Hochstammrose werden besungen. Da versammeln sich lauter unscheinbare Helden, lauter nichtige Besonderheiten, lauter stille Sensationen. Wie frisch geölt läuft der alte “ F-Tsch.Wumm-Apparat“. „Ling! Ling! Geht das Telefon“ und das Publikum telefoniert ganz ungezwungen mit. Natürlich wäscht sich Jule am Ende doch. Nur die Katze bellt nicht. Aber wäre sie vorbeigeschnorrt, sie hätte gebellt. Denn Schöne bleibt sich und dem Publikum treu. Er bleibt ein wacher Träumer.
„Wenn Franticek liest“ heißt Schönes Kinderbuch mit Geschichten nach Zeichnungen seines Sohnes Jona. Da schwimmt Ulla, ein ugullisches Seepferd, mit Zwischenstopp in der Semperoper und vom Hochwasser getragen in die Freiheit, die ihren Abschiedsschmerz kostet. Dabei betrieb Ulla so nett Gummihopse im Gehege. Unter Schirm und Lampe liest Schöne auch „Eine dumme Geschichte“, ein Märchen seines Vaters über einen Räuber a.D., der endlich anständig hängen will und im Vergessen doch Versöhnung findet. Es scheint, als hätte das Geschichtenerfinden im Pfarrhaus Schöne Tradition gehabt.
Zwischenspiele gibt es auch. Schnullerweich bleibt die Geschichte vom Jungen in der Eisenbahn. Und dann zieht Schöne noch eine dunkle Linie zum „Wunschkonzert“, welches das NS-Regime in den totalen Dienst der Propaganda berief. Schöne marschiert in einer auf Kürzeln fußenden, leicht lesbaren Pantomime ins Feld. Auch der finale Bauchschuss findet – „Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut“ – zum „Ännchen von Tharau“ statt. Dann gibt der Liedermacher der Melodie des Lieblingsliedes aller Soldaten an allen Fronten, „Lili Marleen“, einen neuen Text. Da scheint die Laterne in späten Nebeln erloschen, auf dass die Kriegsdienstromantik Namen bekomme, die der Eltern im Krieg.
Beinah in liturgischer Entschlossenheit lässt Schöne das Publikum am Ende immer wieder das israelitische Lied „Trommle mein Herz für das Leben“ als vierstimmigen Kanon singen. Da fühlt man sich in die Stimmung eines regionalen protestantischen Kirchentages berufen. Nur, dass die Wunder und Wünsche hier himmlisch irdisch bleiben, gemäß der „Frechheit eines Flohes“, der „Balance des Stehaufmännchens“ und der „Geduld einer Weinbergschnecke“.