Kämpfe

von Manfred Horak, Kulturwoche - Austria

„Bildet Kurkapellen!“, lautet die Parole von Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot, deren Album „Kämpfe“ in der Liederbestenliste Deutschland zur CD des Monats gewählt wurde. Zu hören gibt es Lieder von Rio Reiser, Ton Steine Scherben, Hanns Eisler und Bertolt Brecht.

Versteinerte Verhältnisse muss man zum Tanzen bringen, indem man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt. Die Punk-Brass- und Rock’n’Roll-Jazz-Kapelle schafft dieses Vorhaben wie sonst kaum jemand. Vollgeladen mit Süffisanz und Ernsthaftigkeit intonieren sie wichtige alt bekannte Texte und wichtige alt bekannte Musik mit neuen Sounds, die wiederum so alt sind, dass sie eigentlich gar nicht als neu gelten dürften. Verwirrend? Sei’s drum. Die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot bringt auf „Kämpfe“ 15 Lieder zu Gehör, die man (zumindest 13 davon) einfach nicht versäumen darf.

Der Fokus richtet sich dabei in erster Linie auf Rio Reiser- bzw. Ton Steine Scherben-Lieder, prachtvoll arrangiert, waghalsig und wütend, oder eben auch humorvoll verklärend. Am Ende des Albums z.B. gibt die Kurkapelle eine großartige Version von „Der Traum ist aus“ – und was für eine! Phasenweise glaubt man eine junge, hoch motivierte Band namens The Doors an der Bearbeitung des Rio-Reiser-Liedes zu hören, bevor der soulige Brass-Punk den Schlussteil einleitet. Ein weiteres Herzstück des Albums ist sicherlich der Reiser-Song „Menschenfresser“, auch wenn sich die Version nicht deutlich vom Original entfernt – na ja, vielleicht gerade deshalb, schließlich legte Rio Reiser damit eine ziemlich perfekte Version vor, die nicht allzu viel Platz für Änderung bot. Tatsächlich neue Wege geht die BKKSR dafür im Scherben-Lied „Schritt für Schritt ins Paradies“. Nach einer einleitenden Text-Collage sorgen die schnittig-schrägen Bläsersätze für Euphorie. Herausragend. Ganz groß auch das „Solidaritätslied“, „Resolution“ und „Als ich dich gebar“ von Eisler/Brecht, sowie „Ich vergebe dir“, das mit einem Auszug aus dem „Kommunistischen Manifest“ von Karl Marx daherkommt und das unglaublich gute „Lied aus unglaublich schwerer Zeit“ von G. Pasemann und Max Goldt. Hier setzt sich durchaus eine gewisse Nostalgie durch, und hier ist der Bandname auch sprichwörtlich zu nehmen. Geniestreiche einer aussterbenden Zunft. Und Witz, und Humor? Kommt, wie bereits erwähnt nicht zu knapp, z.B. im Booklet, und musikalisch am augenscheinlichsten im Scherben-Song Der Turm stürzt ein und (trotz nostalgischer Momente) in „Ich vergebe dir“ von Frank Keding. Schwächen bzw. Totalausfälle gibt es dennoch: „Keine Macht für Niemand“ und „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ erwiesen sich interessanterweise irgendwann mal als Lieder, die sich im Laufe der Zeit selbst kaputt machten. Weiterhin unzerstörbar hingegen Reisers „Junimond“ und „Für immer und dich“.

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