BERLIN – Die Gitarre klirrt, das Piano wiederholt die immer gleichen Tonfolgen. Schnodderig singt André Herzberg vom Spaziergang durch Pankow, wo er jeden Weg kennt, wo auf dem Dach über dem Bahnsteig mal die Band gespielt hat, wo Erinnerung durch die Straßen weht an Karlineken und Mathilde und Aufruhr in den Augen. Nach der umjubelten Tournee vor zwei Jahren und der Wiederaufführung von „Hans im Glück“ 2010 gibt es jetzt wieder eine CD der Berliner Rockband Pankow.
„Neuer Tag in Pankow“ heißt sie, der gleichnamige Eröffnungssong gibt das Leitmotiv vor: Rückschau mit einem Hauch Wehmut angesichts der unerbittlich weiter schreitenden Zeit und Weitergehen in den neuen Tag. Oder wie’s André Herzberg im Interview ausdrückt: „Das ganze Album dreht sich ja darum – wir gucken, wer wir waren, um zu sehen, wer wir sind. Das hat mich sofort angerührt, als Jürgen Ehle mit ,Neuer Tag in Pankow’ ankam, das war der erste Song, den er uns vorgespielt hat. Da war mir klar, das ist der Albumtitel, weil er diese Suche ausdrückt.“
Vertraute Figuren
So wird der langjährige Fan manche vertraute Figur wiederentdecken, die seit 1981 und dem Rockspektakel „Paule Panke“ auf die Reise zum eigenen Ich geschickt wurde. Ein Spiel mit Erkennungszeichen für Insider soll die Platte trotzdem nicht sein, versichert Herzberg: „So was macht man instinktiv, so gehe ich von mir aus. Bestimmte Dinge im Leben ändern sich nicht. Und dann denkt man plötzlich beim Schreiben, na ja, das hab’ ich schon mal so geschrieben, kann man nicht viel besser ausdrücken, schreib’ ich halt noch mal hin.“
Muteten die letzten Pankow-Produktionen fast wie Herzberg-Soloalben mit Bandbegleitung an, hat er sich diesmal das Songschreiben mit anderen geteilt. Was wohl mit dazu beigetragen hat, den musikalischen Schwerpunkt ein wenig Richtung Blues zu verschieben, etwa bei der sachten Ballade „Auswendig“. Herzberg bestätigt: „Ich hab’ besonders bei Jürgens Songs mehr Blues-Einfluss gehört. Ich finde, dass das der Band gut steht. Blues ist ja sowieso eine Wurzel. Gegen dieses Etikett hab’ ich also überhaupt nichts.“
Auf Tour
Was nicht heißt, dass Pankow 2011 zur Bluesband mutiert wären. „Du musst schneller gehen“ klingt zwar lässig abgehangen, hat aber diesen unverkennbar lakonisch-frechen Ton, der Pankow ausmacht in seiner Einheit aus spöttischem Gesang, keck plingelnder Gitarre und hinterdrein schlappendem Rhythmus. Drummer Stefan Dohanetz ist Meister des unaufdringlichen Gerüstbauens, ob der Song nun Druck braucht oder Verzögerung.
Die Palette reicht vom übermütigen Rocker „Korrekt, korrekt“ bis zur minimalistischen Folk-Ballade „Plattes Land“. In „Wie weit kannst du gehen“ von Bassist Ingo York heult die Slide-Gitarre fast in Streichermanier, stürmische Bläser dominieren „Es gibt keine besseren Zeiten“. „Ich mach ’ne Liste“ wird ganz von Ehles genialem Gitarrenspiel beherrscht, irgendwo angesiedelt zwischen Keith Richards und Ry Cooder.
Damit geht’s jetzt auf Tour, schließlich hat die Band ihren 30. Geburtstag zu feiern. Neben alten Dauerbrennern wie „Aufruhr in den Augen“, „Inge Pawelczik“, „Gib mir ’n Zeichen“, „Langeweile“ wird es also neue Songs geben. Die Musiker hoffen darauf, dass die neben den alten bestehen können – auch wenn’s nicht gleich wieder Hits werden. Das Wichtigste, so Herzberg, sei sowieso, „dass mal wieder rausgekommen ist, dass die Band auch nach 30 Jahren immer noch eine Anhäufung von kreativen Leuten ist, die miteinander gut arbeiten können“.