Vergleiche wie „Ella des Ostens“ mag sie gar nicht, auch wenn die große Ella immer ihr unerreichbares, deshalb nie kopierbares Vorbild blieb: Ruth Hohmann, die erste und lange Zeit die einzige Jazzsängerin in der DDR mit der „Pappe“, dem nicht leicht erreichbaren, aber lebensnotwendigen Berufsausweis, feierte am 19. August ihren 75. Geburtstag mit einem zünftigen Konzert im Alt-Köpenicker Historischen Rathaushof. Springlebendig wie eh und je, swingend, bluesig, scattend, humorvoll. Die in eine musikalische Eisenacher Familie hineingeborene Ruth Hohmann erhielt früh Klavier- und Ballett-Unterricht, wollte ursprünglich Schauspielerin werden, profitierte beim Schauspielstudium am Erfurter Konservatorium aber – wie sie später erst merken sollte – vor allem von der Phonetikschulung. Denn nachdem sie an einem Freitagabend im Jahre 1945 am Radio gedreht und zufällig über AFN Frankfurt Duke Ellington, Ella Fitzgerald und Mahalia Jackson gehört hatte, stand für sie fest, dass sie Jazzsängerin werden wollte. Doch erst ging das Familienleben vor. Sie war 1951 ihrem Lebensgefährten, einem Dramaturgen, aus der thüringischen Heimat nach Berlin gefolgt, heiratete und zog zwei Töchter auf. Nebenbei bildete sie autodidaktisch ihre Stimme weiter aus und entschloss sich schließlich zu einem privaten Vorsingen bei einem einflussreichen, angesehenen Musikredakteur des Berliner Rundfunks. Der zeigte sich von ihrem Talent beeindruckt und empfahl sie an seine Kollegen weiter, die sie gern als Schlagersängerin eingesetzt hätten, was sie dankend ablehnte. Für Kompromisse war sie auch später nicht zu haben. Eine Probe mit der populären Dixieland-Band „Jazz-Optimisten Berlin“ führte am 12. November 1961 sogleich zu ihrem ersten öffentlichen Auftritt im „Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“. Von da an nahm die Karriere der jungen Sängerin ihren Lauf, von ihr weitgehend selbst gesteuert. So kontaktierte sie Günter Hörig, den Chef der zur Creme des DDR-Jazz zählenden „Dresdner Tanzsinfoniker“, der sofort einige Titel bei Amiga mit ihr aufnahm. Es folgten Konzerte. Rundfunksendungen oder Plattenaufnahmen mit den auch von Manfred Krug bevorzugten „Jazz-Optimisten, mit der Big Band und dem Sextett des Trompeters Klaus Lenz, dem Manfred-Ludwig-Sextett, geleitet vom Altsaxophonisten Ernst-Ludwig Petrowsky. Mit ihm gastierte sie 1965 beim Prager Jazz Festival. Sie ging mit dem Orchester des Schlagzeugers Hans „Fips“ Fleischer auf eine Rumänien-Tournee. Allein die Aufzählung dieser Musiker und Bands beweist die Vielseitigkeit und stilistische Breite der Sängerin. Sie trat außerdem bei den beliebten öffentlichen „Lyrik-Jazz-Prosa“-Veranstaltungen des Aufbau-Verlags auf, unter anderen mit Manfred Krug und – als er noch durfte – Wolf Biermann. Diese zum Kult gewordenen Wort-Musik-Konzerte lebten 1996 wieder auf, neben Schauspielern mit Jazzern wie dem Pianisten Conny Bauer, dem Posaunisten Uli Gumpert, den Sängerinnen Uschi Brüning und – natürlich wieder dabei – Ruth Hohmann … Nach dem berüchtigten 11. Plenum der SED im Dezember 1965, auf dem Walter Ulbricht dem Kulturleben den „Bitterfelder Weg“ verordnet hatte, was auch den Jazz schmerzlich traf, wurde Ruth Hohmann mit einem Auftrittsverbot belegt. Erst 1972, nach der Ausbootung Ulbrichts durch Erich Honecker, erhielt sie eine neue „Pappe“ und durfte ihre Konzerttätigkeit wieder aufnehmen. In ihrem Hörbuch „Jazz reichts – Mein Leben mit dem Jazz“ vermittelt sie aufschlussreiche Einblicke in den reglementierten Kulturbetrieb der DDR. 1974 wurde das „Jazz Collegium Berlin“, eine von Hartmut Behrsing, dem Soloposaunisten der Komischen Oper mitbegründete Mainstream Band, zur ständigen Begleitband Ruth Hohmanns, eine Zusammenarbeit, die bis heute anhält, denn ihre Stimme klingt erstaunlich frisch und unverbraucht. Ihr Scat-Gesang ist noch immer atemberaubend. Übrigens sagt sie von sich, dass sie sich nie als Solistin verstanden habe, sondern stets als Bandmitglied – ein bemerkenswertes Statement für eine Vokalistin. 1976 wurde Ruth Hohmann als Lehrerin (später als Dozentin) für Jazz und Chanson an die Musikhochschule „Hanns Eisler“ berufen. Nach 20 Jahren gab sie ihre erfolgreiche Lehrtätigkeit auf eigenen Wunsch auf. Ihr Chef Jiggs Whigham richtete ihr ein eindrucksvolles Abschiedskonzert aus. Jiggs huldigte ihr am 25. November 1999 nochmals mit einem Konzert der RIAS Big Band, bei dem ihr auch die Musiker respektvoll Applaus spendeten. Ruth Hohmann konnte neben dem Jazz auch auf anderen Gebieten Erfahrungen sammeln. Um nur einige Projekte zu nennen: 1965 übertrug ihr Harry Kupfer die Titelpartie in der letztlich verbotenen, weil wohl zu avantgardistischen TV-Oper „Hete“, 1984 sang sie die Soli und alle Chorstimmen zu Texten von Langston Hughes in dem Schallplattenprojekt „Ströme“, schließlich wirkte sie in Leander Haußmanns Spielfilm „NVA“ mit. Noch mit 75 beteuert sie, ihre Lust auf Neues sei ungebrochen. Und überhaupt will sie erst aufhören, wenn aus dem Publikum gerufen wird: „Wat will denn die Olle da oben auf der Bühne?“