Axel Prahl stellte mit dem Filmorchester Babelsberg im Nikolaisaal sein Debütalbum vor
Bescheiden kommt er als letzter auf die Bühne, wie so oft in der schwarzen Lederweste, die ihn eher wie einen Fleischermeister auf dem Weg zum Feierabendbier aussehen lässt denn einen gefeierten Schauspieler, und begrüßt die Gäste im ausverkauften Nikolaisaal zur Saisoneröffnung – mit dem Babelsberger Filmorchester. Er sei immer noch nervös, gibt er zu, obwohl es schon (oder erst?) sein drittes Konzert sei, und seine Wasserflasche habe er auch vergessen.
Da hat Axel Prahl am Samstag schon zwei Titel mit Band und Orchester hinter sich und das Publikum weiß: der Mann kann singen. Das war vielleicht nicht selbstverständlich: In Zeiten, da es unter schlecht ausgelasteten Akteuren ein Volkssport zu sein scheint, mal eben eine Combo zusammenzubasteln und den volksnahen Sänger raushängen zu lassen, ist es sehr beruhigend, dass es Ausnahmen gibt. Was vielleicht auch an der handverlesenen Auswahl seiner musikalischen Mitstreiter liegt, aber eben vor allem daran, dass hier jemand die Töne sauber trifft und eine beachtliche Bandbreite an Stimmungen hervorzaubern kann; dass er eine wunderschöne, teils lyrische, teils freche, ironische und an Wortwitz reiche Sprache zu Texten verarbeitet hat, bei denen man spürt: das macht man nicht mal eben so, weil man mit der Zeit gehen will. „Das musste raus“, sagt er selbst, „ich wusste das schon lange, aber dann kam halt die Schauspielerei dazwischen“. Diese Schauspielerei war allerdings auch immer eine Inspirationsquelle, unverkennbar der Einfluss von „17 Hippies“ aus dem Dresen-Film „Halbe Treppe“.
„Er ist schweinebegabt“, bringt es der Potsdamer Regisseur nach dem Konzert auf den Punkt und grinst breit. Da werde er dem Axel wohl demnächst eine schwergewichtigere Rolle auf den Leib schreiben müssen, vielleicht einen Serienkiller? Wenn er dann noch schaupielern will. „Jetzt ist erstmal Zeit für Musik“, sagt der. Die Lieder des Debüt-Albums „Blick aufs Mehr“, die an diesem Abend vorgestellt werden, zu beschreiben, ist schwer: zu groß der Bogen von Chanson bis Klezmer, angejazztem Rock und intimem Gesäusel. Die meisten Titel entstanden in Kooperation mit Danny Dziuk, der schon für Stoppok und kürzlich Annett Louisan gearbeitet hat. „An die Texte durfte ich meistens nicht ran“, sagt Dziuk, der die Arrangements für das Inselorchester geschrieben hat. „Er will nur singen, was er will, er will keinen Scheiß erzählen“. Es ist natürlich kein Scheiß, wenn ein Mann, der schon einiges in Sachen Beziehung hinter sich hat, über die Liebe singt. Da lohnt sich das Zuhören, das geht unter die Haut, tut gut. Im Übrigen, verrät er dem Publikum, sei er jetzt wieder frisch verliebt, es gehe ihm gut. Seine Freundin ist sogar nach Potsdam mitgekommen, das Konzert mit dem Filmorchester wollte sie sich nicht entgehen lassen, sagt er nach dem Signieren von „gefühlten 500 Autogrammkarten“ bei einer Zigarette.
Dass die Babelsberger Musiker schon nach dem halben Konzert zu einer weiteren Verpflichtung gehen mussten, war ihm sichtlich peinlich – obwohl es dem Abend eine nicht unspannende Dynamik verlieh. Gerade die Streicher passten sehr gut zu den Chansons, die Bläser zu dem vor Fülle überschwänglichen „Cosmopolitano“, einem zackigen Stück, zu dem Prahl von dem Hocker runter rutscht und letztlich flott tanzt; Klezmer, Kalinka und Gottlieb Wendehals einmal durch den Fleischwolf gedreht und auf Ironie gezogen, herrlich komisch. Prahl allein mit Inselorchester gibt sich jazzig bis rockig, unverkennbar freundliche Anleihen bei Keimzeit oder dem Ruhrpöttler Stoppok. Dann singt er über die Sehnsucht nach dem Mehr und als Zugabe ein seltsam fertig klingendes Fragment „Gib mir Zeit“ und beweist: Prahl ist doch immer wieder anders.