BERLIN – Es kann von Vorteil sein, nie im grellsten Rampenlicht gestanden zu haben. Die Band Engerling liefert seit 35 Jahren laufend den Beweis. Der strengen Blues-Szene der DDR waren die Musiker um Songschreiber und Keyboarder Boddi Bodag nie originalgetreu genug, hielten sich einfach nicht ans 12-Takt-Schema. Der Rock-Szene wiederum fehlte bei Engerling das glamouröse Show-Gehabe.
Ein treues, um Moden unbekümmertes Publikum haben sie sich erobert mit ihrer Mischung aus Blues und Rock, mit Anleihen bei Bob Dylan und den Stones, Einschlägen von Rock ’n’ Roll und Boogie Woogie. Vor allem haben Engerling immer mit eigenen Geschichten überzeugt. Sei es das frühe Zwiegespräch mit `Mama Wilson´ über den US-Bluesrocker Al Wilson oder die viel spätere Wende-Utopie `Herbstlied´. Den Karriere-Knick zur Wende erlitt Engerling nicht, denn da war keine Karriere zu knicken. Ehrlicher Blues-Rock handwerklicher Extraklasse behält seine feste Fan-Basis.
Auf die Geburtstagsfeier sollte die in diesem Jahr lange warten, weil am geplanten Termin im Frühjahr Boddi zum Schrecken von Freunden und Fans ins Krankenhaus musste. Bei der nun nachgeholten Party im heillos überfüllten Kesselhaus der Berliner Kulturbrauerei zeigte er sich am Samstagabend wieder in allerbester Form. Er traktierte sein Keyboard in heftiger Boogie-Manier, entlockte ihm schwelgende Orgelsounds und sang in lässiger Blues-Diktion. Heiner Witte, seit Anfangstagen dabei, ließ die Gitarre in seiner typischen Weise heulen, die an Saiten-Helden wie Rory Gallagher oder Johnny Winter denken lässt.
Zur Geburtstagsparty bekam er reichlich Unterstützung. Von Frank Diez etwa, der einst mit Jimi Hendrix spielte. Von Monokel-Chef Michael Linke, von Basti Baur, der noch einen Schuss Metal hinzufügte. So steigerte sich das Engerling-Konzert schnell zu einer Art Gitarren-Rock-Session der ekstatischen Art. Die Gitarreros spielten sich die Soli gegenseitig zu, Bodag streute seine Orgeleien dazwischen, zwei Schlagzeuger zementierten den Untergrund.
So pflügten Engerling und Gäste – die hochtalentierte junge Sängerin Steffi Breiting aus Schmölln sei herausgehoben – lustvoll durch das Repertoire von Engerling und großen Vorbildern. Sie deuteten die Beatles-Vorlage `I Am The Walrus´ zum dunkel strahlenden Progressive-Rock-Stück um, meisterten souverän die vertrackte Nummer `Auf verlorenem Posten´ mit ihrem gebrochenen Rhythmus und endeten nach fast vier Stunden bei Bob Dylans `Like A Rolling Stone´, das dem Meister selbst sicher gefallen hätte. Bodag und Co hatten es fertig gebracht, den guten alten Rock wieder jung und voller Hoffnung strahlend auferstehen zu lassen.