Seit fünf Jahrzehnten auf der Bühne: So war der Jubiläumsauftritt dieser DDR-Kultband in Schwerin

Nordkurier vom 29.09.2025, Ulrich Grunert

Die legendäre Ostberliner Bluesrockband Engerling feierte am Wochenende in Schwerin ihr 50. Bandjubiläum.
Ulrich Grunert, Nordkurier vom 29.09.2025

Los legen Engerling am Samstagabend im proppenvollen Kulturzentrum „Der Speicher“ mit jener uralten Bluesnummer, die einst die Rolling Stones einer staunenden Öffentlichkeit präsentierten: „Little Red Rooster“ ist eine der bekanntesten Kompositionen des US-Amerikaners Willie Dixon, ein Electric-Blues-Song, der 1964 den Stones in Großbritannien einen Nummer-eins-Hit bescherte. Es gilt bis heute als einziger echter Bluessong, der es bis an die Spitze der britischen Pop-Charts schaffte. Engerling spielen den Song häufig zu Beginn ihrer Konzerte, gehen dann nahtlos in den Fleetwood Mac-Evergreen „Albatross“ über. Das berühmte von Gitarrenlegende Peter Green komponierte Instrumental-Stück passt wunderbar ins Engerling-Repertoire. Das findet auch das Publikum und spendet früh reichlichen Beifall.

Zeitlose Hits des deutschsprachigen Blues
Doch die Berliner Band hat auch jede Menge eigener Songs im Programm. So folgt nun ein deutschprachiger Blues-Song dem anderen, viele davon stehen seit langem auf der ewigen Bestenliste des Deutsch-Rock: „Engerling Blues“, „Nächte in Berlin Mitte“, „Moll Blues“, die perfekt in Deutsche übertragene Dylan-Vorlage „Es kommen andere Zeiten“, „Der Zug oder Die weiße Ziege“, „Hat nichts gebracht“, „Da hilft kein Jammern“, „Muschellied“ und natürlich auch „Mama Wilson“, die wohl berühmteste Engerling-Schöpfung. Den Text schrieb Bandgründer, Keyboarder und Sänger Wolfram „Boddi“ Bodag. Er erinnert sich im Gespräch mit unserer Zeitung gut daran, als es mit dem Blues bei ihm losging: „Ich bin in einem kleinen Dorf im Oderbruch aufgewachsen. Dort fiel mir eines Tages die Langspielplatte „American Folk Blues“ in die Hände, die 1965 vom Amiga veröffentlicht wurde. Da waren die Songs von Willie Dixon, Sunnyland Slim und Hubert Sumlin zu erleben. Als ich die gehört hatte, war ich sofort vom Blues infiziert. Ich wusste nun, was ich machen wollte.“

Von Anfang an dabei ist auch Heiner Witte. Witte und Bodag verleihen der Band mit ihrer gekonnten Zwiesprache zwischen Gitarre und Tasten-Instrument sowie mit wirkmächtiger Unterstützung der Rhythmus-Fraktion unter Manne Pokrandt am Bass und Hannes Schulze am Schlagzeug ihren typischen, einzigartigen Sound. Zum runden Band-Jubiläum der Bluesrocker gibt es nun endlich auch eine erweiterte Nachauflage der lange vergriffenen ersten beiden Amiga-LPs. Auf dem Engerling-Debüt-Album, das im Jahr 1979 veröffentlicht wurde und mit erstklassigen Eigenkompositionen in deutscher Sprache überzeugt, stechen vor allem vier Songs hervor, welche die frühe Meisterschaft des Bandgründers und singenden Songschreibers Wolfram Boddi Bodag aufzeigen: „Mama Wilson“, „Blues vom Roten Hahn“, „Sechs Tage auf dem Rad“ und „Schwester Bessies Boogie“ gehören zum Besten, das je in deutschen Landen in Sachen Blues entstanden ist.

Diese Ausnahme-Stellung von Engerling war nun erneut in Schwerin zu spüren. Nachdem der letzte Ton verklungen ist, schwärmt ein graubärtiger Fan beim Abschied: „Einfach toll wie wir Älteren hier nochmal abrocken können. Und die Klampfe von Heiner Witte klingt einfach nur immer geiler.“

Seit fünf Jahrzehnten ist die Bluesrockband nun unterwegs, vermag nach wie vor wie kaum eine andere, das Publikum mit ihrem unverwechselbaren Klang und poetischen Texten im Grenzbereich zwischen Blues, Rock und Soul zu begeistern. So frisch und packend, wie sich das anhörte, liegt die viel beschworene „Rockerrente“ zum Glück noch in weiter Ferne. Der nächste Höhepunkt ist nah: Am 18. Oktober werden Engerling im Kesselhaus der Kulturbrauerei Berlin ein besonderes Heimspiel geben, um mit den Fans, Freunden und Weggefährten den runden Band-Geburtstag zu feiern. Das Konzert ist bereits ausverkauft.

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