Titelliste
- Selbstbildnis 1981
- Ich bin die ganze Zeit nur hier
- Nach durchzechter Nacht
- Ich bin vom grünen Licht so schwer
- Feinslieb, du lachst dazu (Herbstlied)
- An mich, nachts
- Meine Hände
- Abends, wenn ich noch nicht schlafen kann
- Das Gras in S.
- Verlassnes Bett
- Ich mag das lange Haar
- Ich möchte eine kleine Wirtschaft führen
- Am Abend vorm Geschnittenwerden
- Das Abschminklied
Liedtexte
Nach durchzechter Nacht in deinen
Armen bin ich aufgewacht,
So als läg in rostgen Steinen
Mir im Munde diese Nacht.
Fremd ward, was ich einst besessen,
Fortgespült von diesem Fluß
Schlaf. Als trennte das Vergessen
Uns in Fremde ganz zum Schluß.
Vorsichtig zu sprechen lerne
Ich, als hätt ich diese Nacht
Ganz auf einem andern Sterne,
Ganz woanders zugebracht.
Eine Turmuhr ließ die achte
Stunde grade hinter sich.
Du bist da. Ich faß dich sachte,
Und erinnre mich an mich.
Ich bin die ganze Zeit nur hier geblieben.
Die Andern kamen und sind wieder fort.
Ich habe Briefe hinterher geschrieben.
Die Andern schrieben mir kein Wort.
ch geh die ganze Zeit durch gleiche Türen.
Ich koch die ganze Zeit im selben Topf.
Gehn wie ein Gitter quer durch meinen Kopf.
Die Andern sprachen. Stumm blieb, wie ein Stein, ich.
Die Andern gingen und ich blieb allein.
Nur im Vergangnen waren wir uns einig.
Was kommen würde, würd uns entzwein.
Ich bin die ganze Zeit nicht weggegangen.
Am Tisch wars schöner, saßen wir zu viert.
Selbst vom Stück Butter, das die Andern angefangen,
Hab ich noch wochenlang geschmiert.
Feinslieb, nun ist das Blätterbraun
Schon wieder in den Spitzen,
Wann wir unterm Kastanienbaum
Am Abend fröstelnd sitzen.
Das Jahr geht fort mit schwerer Fracht,
Es bindet sich die Schuh.
Ich bin so traurig heute nacht,
Und du, du lachst dazu.
Feinslieb, die schwarze Jacke hängt
Die Schultern ab mir wieder,
Wann schon so früh das Dunkel fängt
Uns und die KäIt die Glieder.
In deinen Augen glimmt noch leis
Der Sommer voller Ruh.
Ich wein~, weil ich nicht weiter weiß,
und du, du lachst dazu.
Feinslieb, das war es also schon,
Der Sommer ist vertrieben,
Die Vögel sind auf und davon,
Und wir sind hiergeblieben.
Fremd zieh ich ein, zieh ich aus,
Ich weiß nicht, was ich tu
Heut nacht, verwelkt ist mein Zuhaus,
Und du, du lachst dazu.
Feinslieb, komm stirb mit mir ein Stück,
Sieh, müd die Blätter schunkeln,
Wir drehn das Jahr noch nicht zurück,
Und sehn uns nur im Dunkeln.
Laß in dem Kommen, Bleiben, Gehen
Zertanzen uns die Schuh!
Ich will noch soviel Himmel sehn,
Und du, du lachst dazu.
Abends, wenn ich noch nicht schlafen kann,
Und dein Atem schon in ruhigen Zügen
Durch die Nacht fährt, kommt die Angst mich an,
Plötzlich nicht mehr neben dir zu liegen.
Schön ist nur, wer sich verschwendend gibt!
Und ich habe ausgeteilt mit vollen Keilen,
Und ich habe niemals halb geliebt,
Und nie leis gespielt mit meinen Narrenschellen.
Nein, ich hab mich nicht geschont, zu gern
Leb ich, mehr noch als ich leben sollte.
Aber was schon habe ich auf diesem Stern
Wirklich ändern können, was ich ändern wollte.
Und nun werden mir die Schläfen fahl,
Und es sticht das Herz vom prallen Leben.
Wieviel solcher Nächte bleiben, welche Zahl
Jahre sind uns beiden noch gegeben?
Schlaflos lieg ich, wenn du leise schon
Aufgestanden bist und machst das Essen.
Auf dem Tisch steht eine Vase wilder Mohn,
Und Minuten kann ich meine Angst vergessen.
Sicher einmal, wenn nach tausend Jahren
Einer über diese Stelle streift,
Findet er ein Stück von unsern Haaren
Das als Gras aus dieser Erde greift.
Diese Stelle wird es sein, es liegen
Beieinander dann wie jetzt wir zwei,
Müde, von den ewig langen Siegen,
Kommen fremd wir wieder hier vorbei.
Vor dem Gras gebückt, das grüne Riechen,
Die Erinnerung befällt und blaß,
Eng verschlungen werden wir drauf kriechen
Wie die Käfer, ohne Angst, im Gras.
Diese Stelle wird es sein, die Spitzen
All der Gräser sind zerdrückt und tot;
Wo wir einmal saßen, werden wieder sitzen
Wir bei einem endlos langen Abendrot.
Alles wird vergessen sein, das Gras wird wissen.
In die Erde wächst es Tag um Tag.
Das Gedächtnis ist ein grünes Kissen,
Das uns unterm nackten Rücken lag.
Das Bett riecht lange noch nach deiner Wärme,
Wie eine Höhle bleibt die Decke stehn.
Ich höre deine Füße in der Ferne
Die Treppen auf die Straße runter gehn.
Ich lieg verlassen, wie nach Größenwahnen,
Wie ein Verletzter nach der großen Schlacht.
Die grünen Fliegen lenken ihre Bahnen
Um meinen Schädel, und sie landen sacht.
Dein Kissen ist ein offner Mund voll Schweigen.
Dein Kopf ist nur noch Form, kein Inhalt mehr.
Ich hör den Wind auf der Kastanie geigen;
Mein Kopf bleibt, wenn ich lange schweige, leer.
Laß unberührt den Abguß deiner Glieder,
Bis mir das Fehlende im Mittagslicht
Vom Schalldurchpreschen eines Düsenfliegers,
Die Plastik deines Betts, zusammenbricht.
Ich mag das lange Haar, es ist nicht so dressiert
Und läßt sich besser zausen und zerraufen,
Es läßt sich binden im Genick, zum Zopf geschnürt,
Und kann schier endlos Regen in sich saufen.
Auch Tiere haben Platz, wie deine Finger wissen,
Die Wege auf den Scheiteln rauszufinden.
Ich seh dein langes Haar des nachts auf meinem Kissen,
Antennen, die sich gegenseitig binden.
Und wenn du schwimmst umspinnt es dich wie Gras,
In dem die Fische hausen und Geröll von Flüssen.
Die Mädchen, einsam vor den Spiegeln mögen das,
Wenn sie am Abend träumend lange kämmen müssen.
Wie oft voll Trauer, schnitten sie das lange
Haar mir vom Kopf, war ich, ein Kind, hochdroben
Auf dem Frisierstuhl und wie war mir bange,
Wenn die Friseure Haufen Haar zusammenschoben.
Ich mag das lange Haar! Ich kenn die schwarzen Besen,
Die Zäpfchen, Locken auf den Haufen fegten.
Gestohlnes Haar, das ist vor vielen Jahrn gewesen,
Als Schwaden Rauchs sich auf die Erde legten.
Geraubtes Haarl Als wüchs aus meinen Poren
Zum Trotz das Haar, als sollte wieder kehren
Aus meinem Kopf das Haar, das einst geschoren.
Und schweigend liegen auf dem Tisch die Scheren.
Ich mag das lange Haar! Ich mag sein leichtes Wehen,
Wenns frisch gewaschen, wenns nach Kneipe stinkt,
Und wenn im Winter beim Spazierengehen
Ein Schneekristall auf deinen Haaren blinkt.
Ich möchte eine kleine Wirtschaft führen,
Am Rand der Stadt schon, wo im Gartensand
Die Bäume nicht den Staub der Straße spüren,
Für junge Leute, frisch und braungebrannt.
Es würde mittags kleine Braten geben
Auf Wunsch und alles ganz bescheiden sein:
Am Abend aber müßte immer Leben
In unsrer Stube und im Garten sein.
Man könnte kommen wie man ist, vom Stanzen,
Und vom Büro, ist sauber nur der Zwilch,
Und könnte Tango und auch Walzer tanzen
Bei einem Sturzen Wein und auch bei Milch.
Die Leutchen würden auf die Tischtuchfalten
Von selbst schon achten und im bunten Schein
Der Lampenschirme gut sich unterhalten
Und mit dem Ganzen recht zufrieden sein.
Und manchmal, wann es aus den Schattenfetzen
Warm kommen würde und mir zwei zu sacht
Sein würden, würd ich mich zu Ihnen setzen
Und etwas singen, bis nach Mitternacht.
Text: Theodor Kramer
Still vom Klatschen und vom Schreien Uber meine derben Witze, Steh ich plötzlich vor den Reihen,
Einsam, all der leeren Sitze.
Ausgetrocknet sind die Lippen,
Hals und Kopf sind leer gesungen,
Stechend ist in meiner Rippen
Käfig mir mein Herz gesprungen.
Stunden später, müd, beim Feste,
Einen scharfen Schnaps im Glase,
Stierte eine auf die Reste
Schminke über meiner Nase.
Aussatz ziert mich! Einen Narren
Hast du neben dir zu sitzen.
Hoffst, ich zög dir jeden Karren
Aus dem Dreck, mit meinen Witzen.
Freilich könnt ichs! Nur Sekunden,
Da die Augen sich noch drehen
In artistisch großen Runden
Um die Augen, die mich sehen.
Alles, was ich hab, verteil ich,
So erfinde ich mein Glück.
Meine Narrenfreiheit freilich
Ist ein lächerliches Stück.
norbert gutmirmerk sagt:
„Wir drehn das Jahr doch nicht zurück“
doch
nicht
noch