Wenzel: Vollmond

BuschFunk, 1995

Titelliste

  1. Melancholie
  2. Enterprise
  3. Kein Zimmer
  4. Ueberdrüssig meiner Briefe
  5. Die Freunde
  6. Einmal weg
  7. Juni
  8. Die neuen Menschen
  9. November
  10. Grund zum Bangen
  11. Berlin/ Madrid
  12. Sauflied
  13. Autowrack
  14. Nun ist es draußen still

Besetzung

  • Hans- Eckardt Wenzel: voc
  • Elke Schmeckenbecher: voc (Titel 5,12)
  • D. Mielenz, M. Schwarz, J. Egger, H. Strutz, V. Bär: chor
  • Jürgen Pacher: drums
  • Karl Heinz Saleh: git (Titel 2,5,8,10,11), perc (Titel 1,2,3,4,8,11), bass (Titel 5,8,9)
  • Hannes Bauer: git (Titel 10,12)
  • Erich Schmeckenbecher: git (Titel 1,13)
  • Dietmar Staskowski: piano, orgel, hammond (Titel 1,3,8)
  • Stefan Hiss: hammond (Titel 1,2,3,12)
  • Georg Schwark: tb (Titel 2,6,79,12,14)
  • Paul Harriman: bass (Titel 1,2,3,4,6,10,12,13)
  • Michel Roth: mundharmonika (Titel 9,10,12)

Liedtexte

Eisgekühlte Drinks im Mund am Arsch der Welt.
Weißer Strand von Polizei mit Palmen dicht umstellt.
An der Bar im Hotel, sich wie‘n Weltmann fühln.
Vor dem Fenster Negerkinder, die im Abfall wühln.
Gib Obacht, daß du keine Krankheit einfängst,
Denn daß die Welt schlecht ist das, weiß er schon längst!
Duscht und setzt sich froh aufs Klo,
Und wenn~s ihm hier nicht mehr gefällt,
Dann fährt er nach anderswo!

Auch das Raumschiff Enterprise fliegt weiter,
Und die Crew steht tanzend vorm Display.
Nimm das Leben heiter!
Dann tuts dir nicht weh.

Seine neue Braut hat er im Katalog bestellt,
Nette, frische Weiber aus dem letzten Kaff der Welt,
Polnisch ihre Nase, tschechisch ihr Popo,
Spricht nur irres Kauderwelsch, russisch oder so.
Er will sie ja nicht zur Konversation.
Er braucht sie ja nur zur Kopulation,
Fürs traute Heim mit Nostalgie,
Und wenn er nicht zufrieden ist,
Dann hat er Garantie.

Denn das Raumschiff Enterprise

Er, die Krone jeder Schöpfung, König aller Tiere!
Was kaputt geht kauft er neu sich: Leber Herz und Niere.
Leistung muß sich lohnen! Nur wer hat, der hat.
Selber essen macht den Menschen noch am Besten satt.
Er kann ja nicht nochmal die Welt neu erbaun,
Er will sich ja nicht sein Leben versaun,
Er sucht nur nach dem Stückchen Glück,
Denn wenns zu Ende geht, dann gibts
Für keinen ein Zurück!

Nur das Raumschiff Enterprise

Lange haben wir gesucht nach dieser Stadt.
Wie ein Kürbis hing der Mond, ganz gelb und satt,
Wie erträumt in einem tiefen
Rausch aus Rum und süßem Gras,
Aus den Bars die Radios riefen
Uns den ganzen Abend nach,
Bis die Kneipen zugemacht.
Und kein Zimmer für die Nacht.

Du an meine Seite mit dem hellen Kleid
Warst mit mir geflohn aus der Gemütlichkeit,
Wo wie festgeschraubt wir saßen,
Fremd in fremder Galaxie,
Und der Lärm auf allen Straßen
Machte uns verlorn wie nie.
Unerwartet unbedacht.
Und kein Zimmer für die Nacht.

Aus der Ferne schiens, als hörte man das Meer,
So als trüg der Himmel seine Wellen her.
Auf der Bank mit einer Flasche
Wasser und vom Suchen matt,
Und wir schleppten unsre Tasche
Nochmal durch die ganze Stadt.
So wie Händler ihre Fracht.
Und kein Zimmer für die Nacht.

Kannten keinen, keiner kannte dich und mich,
Und die Stadt ging langsam schlafen, so ganz sommerlich,
Wie in einen Rausch mit schweren
Träumen, in besoffne Ruh,
Und wir saßen in dem leeren
Park und sahn den Sternen zu,
Die‘s am Himmel sich bequem gemacht.
Und kein Zimmer für die Nacht.

Du bist längst überdrüssig meiner Briefe.
Längst abgestumpft von meiner Traurigkeit.
Es legt der Mond sich sanft ins tiefe
Geäst der Nacht mit unbegrenzter Zeit.

Der halbe Mond das ist die halbe Liebe,
Und sie nimmt ab in Eifersucht und Zorn
Und jede Zeile, die ich dir auch schriebe,
Wär um der Wahrheit Willen irr, verworrn.

Einander können wir uns nichts mehr glauben.
Die Schuppensterne falln der Nacht vom Schopf.
Die Junikäfer flattern wie die Tauben
Und schlagen an das Fenster mit dem Kopf.

Die Nachtigall betäubt mir alle Sinne.
Ich sehe nicht den Abend, der noch brennt.
Ich weiß, daß alles, was ich jetzt noch beginne,
Wird deinem Glück zum blassen Ornament.

Die Freunde hat verstreut des Sommers leichte Hand
In die Gehöfte fern ins Weite auf das Land.

Sie leben in den Tag in ihrem kleinen Haus,
Als kämen ganz und gar sie ohne Arbeit aus.

Sie duschen früh im Gras, sie schwimmen durch den See,
Sie schneiden warmes Brot, sie trinken Kräutertee.

Dort gibt es Zeit wie Heu, kein Lärm, keine Gardinen,
Die Fenster zeigen stolz: Kornblumen und Lupinen.

Zum Kochen schneiden Dill sie mit der Schneiderschere
Und schaun geheimnisvoll zum Rand der Weizenmeere.

Und sie besuchen sich nach einem alten Brauch
Für eine Sommernacht mit Kirschen und mit Lauch.

Es glimmt am Horizont das Licht der Städte fern.
Sie aber leben so, als wärs ein andrer Stern.

Sie duschen früh im Gras, sie schwimmen durch den See,
Sie schneiden warmes Brot, sie trinken Kräutertee.


Welten durchrasend auf weichen Sitzen,
Augen und Ohren aus Bussen gespien,
Tieren gleich, die Reviere abspritzen,
Schütten in Städte sie Geld und Urin.

Wunschlos! außer in jenen Toiletten
Die überfüllt sind und Warten verlangen,
Tragen für jeden Bedarf sie Tabletten
In ihren Taschen enthäuteter Schlangen.

Besinnungslose Suche nach dem Unbekannten.
Jeden Tag irgendwo abreisen dürfen.
Traurige Rasse aus lauter Weggerannten,
Die aus Sektgläsern Tränen schlürfen.

Gelegentlich erschreckt von den Alltagsfratzen
Der Eingebornen, die Städte verstopfen,
Füttern sie, Sandwich fressend, die Spatzen
Und hören ihr gutes Herz dabei klopfen.

Alles gehört ihnen: Pyramiden und Negerkapellen!
Schnell noch ein Foto und sie fühln sich erlöst,
Furzen in Jurten auf authentischen Kamelfellen.
Kein Ort auf Erden, der ihnen noch Angst einflößt.

Nur die träge Seele kommt dabei ins Schwitzen
Uber Kontinente gehetzt ohne Halt ohne Spur,
Verschlingen sie, wie die Kinder Lakritzen,
In Minuten tausend Jahre Kultur.

Desinfiziert von den Schönheitsseifen
Krepieren die Tage in den tiefen Hotelbetten,
Später, im Paradies, werden sie alles begreifen,
Die Städte, die Bilder von ihren Videokassetten.

Jetzt aber, unter erloschenen Sonnen
– mächtige Heere ohne Standarten und Fahnen –
Begegnen sich Sternen gleich die Kolonnen
Grußlos auf den Autobahnen.

Musik: K.I-f. Soleh

A
Ein grauer Tag liegt auf der Stadt, der kalten.
Ich habe Zeit und weiß nicht recht wofür.
Alles bleibt beim alten.
Keiner klingelt an der Tür.

Die Welt im Fernsehn dreht sich stur im Kreis.
Ich rauche viel mit meiner ernsten Miene,
Und alles, was ich von dir weiß,
Steht auf dem Zettel in der Schreibmaschine.
B
Verschwunden über Nacht, ich wollte lachen,
Ich habe Zeit und geh kaum aus dem Haus.
Ich suche nach dem Grund in deinen Sachen,
Und find kein Zeichen finde nichts heraus.
c
Würdest du mir aus Madrid
Eine bunte Karte schreiben!
Weißt du, was ich heute litt?
Heute beim alleine bleiben.
B
Ich stell die leeren Flaschen in den Keller.
Ich trag den Müll vors Haus, ich warte sehr.
Mein Herz schlägt jeden Tag ein wenig schneller,
Und leerer wird die Wohnung immer mehr.
c
Würdest du mir aus Madrid
D
Der Himmel trägt heut helle, blasse Flecken.
Ich träume, was man lang schon nicht mehr träumt.
Auch wenn wir beide voreinander uns verstecken
Sind all die Zweifel längst nicht ausgeräumt.
B
Du läßt dich feiern dort in vollen Zügen.
Ein grauer Tag bestraft mich, daß ich gar nichts tu.
Ich würde gerne heute dich betrügen,
Doch mir fehlt irgendwie Lust dazu.
c
Würdest du mir aus Madrid

Musik: K.H. Saleh/ Wenzel

Es liegt ein Autowrack am Straßenrand,
Wem es gehört, ist völlig unbekannt.
Unter der Haube blüht ein Kabelbaum,
Und Mäuse nisten tief im Kofferraum.
Es weiß kein Mensch, wer dieses Auto fuhr,
Ist nichts zu finden, kein Zeichen, keine Spur,
Die Lampenaugen starrn ins weite Land.
Es liegt ein Autowrack am Straßenrand.

Es liegt ein Autowrack am Straßenrand,
Das trägt den Rost wie einen Sonnenbrand.
Hier ist die Straße grad, hier gibt man Gas,
Und wer vorbeirast, sieht das Auto nicht im Gras.
Es steht umstellt von Nesseln und von Klee,
Im Spinnennetz versponnen einer Fee,
Die uns den letzten Wunsch erfüllen kann.
Die Vögel klopfen an die Türen an.

Es liegt ein Autowrack am Straßenrand.
Hier trafen wir uns beide unerkannt.
Wir hattens uns im Sitz bequem gemacht,
Und keiner suchte uns in dieser Nacht.
Der Himmel sah durchs offene Verdeck:
Ein nacktes Paar im sicheren Versteck,
Kaum zu erkennen überm weiten Land.
Es liegt ein Autowrack am Straßenrand.

Nun ist es draußen still.
Die Nacht geht in die dritte Stunde.
Der Satz, den ich dir sagen will,
Der schläft in meinem Munde.

Die Sterne blinzeln uns wie toll.
Der Mond ist grade erst gestartet.
Was ich dir sagen will und soll,
Das schweigt, das schweigt und wartet.

Du bist mir nah, faß meine Hand.
Die Stille trommelt in die Ohren.
Was du mit einem Wort benannt,
Hat seine Kraft verloren.

Musik: D. Staskowiok

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