Bettina Wegner wurde 1947 in Westberlin geboren. Nach der Gründung der DDR zogen die Eltern mit ihr in den Ostteil der Stadt. Schon Mitte der 1960er Jahre geriet die junge Frau mit der DDR- Regierung in Konflikt. Nachdem sie zehn Jahre als freischaffende Liedermacherin tätig war, wurde sie 1983 ausgebürgert und lebt seitdem in Westberlin. Bettina Wegner verabschiedet sich 2007 mit einer letzten Tour vom Künstlerberuf. Sebastian Krüger sprach mit ihr.
Sie beenden die Konzerte Ihrer Abschlusstournee mit einem Roma- Lied. Warum?
Es handelt sich um eine Hymne der Roma. Sie heißt „Dzelem“, was auf Deutsch „Der Weg“ bedeutet. Ich singe die Hymne als Zugabe, danach geht kein Lied mehr.
Ihr Bühnenpartner Karsten Troyke ergänzt Ihr Programm mit arabischen und hebräischen Liedern – ein interessanter Gegenpart. Warum stellen Sie Ihren eigenen Liedern jene aus diesem Kulturkreis gegenüber?
Ich kann nicht für Karsten Troyke sprechen, der seine Liederauswahl selber bestimmt. Für mich persönlich handelt es sich um „Bruder- Völker“. Und ich finde diese Auswahl sehr schön. Sie könnten ja auch fragen, warum wir nicht chinesisch singen. Man singt aus dem Herzen, ich habe auch ein Lied von der Insel Gotland in meinem Programm gehabt, ich es nachgedichtet, weil ich es schön fand.
1983 wurden Sie ausgebürgert. Was fanden Sie an der DDR schlimmsten? Und wie fühlen Sie sich heute, im wieder vereinigten Deutschland?
An der DDR haben mich am meisten die Regierung, die Stasi und all die zynischen Mitmacher genervt. In der BRD nerven mich am meisten die Regierung, die Industrie und die Banken und all die zynischen Mitmacher. Man fühlt sch so wurzellos.
Was bedeuten Ihnen Gebet, Gottesdienst und Gemeinschaft?
Ich bin gläubig und Gebete sind mir auch sehr wichtig. Am Gemeindeleben teilzunehmen, ist für mich allerdings sehr schwer, weil die meisten meiner Konzerte freitags und samstags stattfinden.
Warum nehmen Sie gerade jetzt Ihren Abschied von der Bühne?
Ich habe gesungen, was ich zu sagen hatte. Ich höre jetzt damit auf, meine Konzerte als Beruf zu betreiben, weil ich einen kaputten Rücken habe und die Verhältnisse in allen künstlerischen Bereichen so verludert sind, ja fast zur Hurerei verkommen, dass es mir wichtig ist, meine Seele nicht auch noch krank werden zu lassen. Ich habe mich mit meinem Publikum getroffen, wenn ich auf die Bühne gegangen bin, ich wollte singen und keinen Handel treiben.
Was waren die Höhepunkte Ihrer Karriere? Worauf blicken Sie voll Stolz zurück?
Mein erstes Konzert im Maxim- Gorki- Theater. Auf das Konzert mit Joan Baez in der Waldbühne 1980. Und vieles andere mehr.
Halten Sie echte Gefühle und Showgeschäft für vereinbar?
Ja, echte Gefühle sind in diesem Geschäft auch möglich. Ich weiß, dass es sie gibt, bei vielen Kollegen und auch zwischen Künstler und Publikum.
Was bedeutet Ihnen Ihre Familie? Warum machen wir es uns so schwer mit der Liebe?
Ich habe viel Liebe in der und durch die Familie erfahren. Familie ist Schutz, Vertrauen, Heimat und Liebe für mich. Und manchmal tun wir uns gar nicht so schwer mit der Liebe, wir lieben einfach. Eine sterbende Frau im Hospiz Berlin- Spandau, sie hieß Frau Pacholleck, hat sich gewünscht, dass auf ihren Abschiedskarten steht: Die Antwort auf alles ist Liebe.