CD Kritik: Trauriges Tier

von Gerhard Wenzel, Schall Magazin - Ausgabe 29 (Winter 2022)

Im Januar erscheint mit „Trauriges Tier“ bei Buschfunk das nunmehr dritte Album des Liedermachers Bastian Bandt. Die Klanglandschaft, die er dabei allein mit seiner Gitarre zu erzeugen versteht, ist von erstaunlich harmonischer Fülle und variantenreichen Melodieläufen gekennzeichnet, die er mit seiner rauchig-warmen, leicht baritonal gefärbten Stimme garniert. Wer die beiden Vorgängeralben „Alle Monde“ und „Nach Osten“ kennt, merkt schnell, dass Bandt seine Songs in ´uckermärkischer Idylle´ hat reifen lassen. Allein die kunstvolle Zusammensetzung seiner Songideen stellt schon ein Ereignis für sich dar. Der poetische Zauber, der den dreizehn Songs eine eigenständige Leuchtkraft und atmosphärische Dichte verleiht, ist liebevoll bis ins kleinste Detail austariert und miteinander verknüpft. Die Interpretationsräume seiner Texte, deren Türen sich beim Zuhören sukzessive öffnen, lassen die unendlichen Weiten der Entstehungsgeschichten und Hintergründe in kaleidoskopartiger Schönheit erahnen. Damit kein falscher Eindruck entsteht, es handelt sich bei „Trauriges Tier“ nicht um Verandamusik in der Hippiekommune, sondern um einen eigenständigen, organisch gewachsenen Stil, aus dem kraftvoll-intime Lieder erwachsen, die nicht um des Hörers Gunst buhlen müssen.

Wer sich die Freude gönnt, sich in das Oeuvre von Bastian Bandt zu vertiefen wird feststellen, dass auf diesem Album all die kreativen Talente des Liedermachers gebündelt und facettenreich verziert vorzufinden sind. Dabei verliert er sich nicht in Verspieltheit, sondern konstruiert – mal verträumt versponnen, mal lässig, rauh und herzlich – klar strukturierte Songs, die für jeden mentalen Zustand Überraschungsmomente bereithalten. Diese scheinbare Ambivalenz ist jedoch kein Widerspruch, denn mit „Trauriges Tier“ ließe sich sowohl ein frühsommerlicher Morgen beginnen, als auch ein winterlicher Rotweinabend würdig begehen. Diese Balance, die Bastian Bandt gewissermaßen en passant gelingt, macht sein künstlerisches Potential auf diesem Album in besonderer Weise sichtbar. Darüber hinaus zeigt sich Bandt wieder einmal als gefühlvoller Beobachter seiner Umwelt und introspektiver Erzähler, der sich auch nicht scheut, seelische Wunden und Verletzungen zu thematisieren. Keine moralischen Bilanzfälschungen, verklärte Lebenslügen, oder ´Heile-Welt-Geschnösel´ verkleistern den Blick, sondern schonungslose Offenheit gibt seinen Liedtexten die Würze, die man anderswo so häufig schmerzlich vermisst.

„Trauriges Tier“ hat Tiefgang und Seele, die ohne rhetorischen Ausverkauf zu einer pulsierenden Einheit verschmelzen, was spätestens beim zweiten Durchlauf ein brennendes Herz und wilde Träume verursacht. Aus jeder Liedzeile ist Bandts humanistisches Weltbild herauszuhören, das ihm als innerer Kompass zu dienen scheint. Die Intensität, mit denen einem die Songs mit all ihrer kraftvollen Ursprünglichkeit an die Gurgel springen, lässt einen spontan in die ´emotionale Papiertüte´ hyperventilieren. Im Strudel des Treibsands der Hoffnungslosigkeit erfasst einen plötzlich der tiefe Glaube an die Kraft und Energie der Resignation. Mit all seiner Physis stürzt er sich in jedes einzelne Wort, als wenn er sich aus einem seelischen Gefängnis zu befreien versuchen würde. Von einer inneren Last befreit, wie ein Ventil das sich öffnet, lässt er dann Einblicke in sein Seeleninterieur zu, das er so wortgewaltig zu bebildern versteht.

Filigran-dynamisch die Musik, poetisch-stilvoll die Texte, filetiert und würzt er die Band(t)breite menschlicher Empfindungen, von Trauer und (Trennungs-)Schmerz bis Hoffnung und Zuversicht, wobei er all diese Motive ineinander verschwimmen lässt. Wer einen eigenen Erlebniszugang zu diesen Themen findet, hat gute Chance, sich so darin zu verlieren, dass er selbst Erklärungsansätze für das Unerklärliche zu finden vermag.

Um welches „Traurige Tier“ es sich handelt, überlässt Bastian Bandt letztlich der Phantasie seines Publikums. Ist es der so häufig zitierte Kojote, ist es der innere Schweinehund, der Tanzbär im Zirkus, oder das farbenprächtige, imaginäre Fabelwesen, das dem Hörer im Kopf erscheint? Ähnlich schwierig ist es das Album mit medialen Zuschreibungen einzuordnen. Ein Gospelalbum für die Schattenexistenzen dieser Welt, eine Ein-Mann-Oper, in der sich die inneren Gespenster und Lebensgeister im Todeskampf begegnen, oder ist es eher ein Poesiealbum für Melancholiker? Und auch diese Frage lässt er unbeantwortet und übereignet sie seinem Publikum mit dem gleichen musikalisch-ästhetischen Eigensinn.

Nach dreijähriger Abstinenz hat Bastian Bandt ein Album aus dem Proberaum herausgekehrt, das im Gegensatz zu dem häufig keimfreien Einheitsbrei unserer Tage und immer kürzer werdender Aufmerksamkeitsspanne die Eigenschaft besitzt, den Hörer auf charmanteste Art und Weise und ohne kommerzielle Kompromisse, in die Untiefen der Mythen unseres Daseins hinabsinken zu lassen.

Inselplatte!

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