Gerhard Schöne – Johann-Walter-Plakette, Laudatio

von Waltraud Tschirner, Verleihung Johann-Walter-Plakette, Laudatio (Torgau 12.06.2016)

Natürlich habe ich in letzter Zeit viel über Gerhard Schöne nachgedacht nachgelesen und viel nachgehört. Und seltsamerweise bin ich immer wieder auf ein bestimmtes Lied zurückgekommen, eine Art Gebrauchsanleitung fürs Leben.

Im Refrain heißt es z.B.: Wenn ich schlafe, schlafe ich, wenn ich aufsteh, steh ich auf, wenn ich spreche, spreche ich usw..usw

„Ganz einfach“ hat er dieses Lied betitelt und damit ein Dilemma der modernen Gesellschaft deutlich gemacht: Vielen von uns ist die Fähigkeit abhanden gekommen, im Moment zu bleiben, bei sich zu sein. Sie geistern als Getriebene durch die Tage , absolvieren ihre Lebenszeit pflichtbewusst, immer an der Grenze zur Erschöpfung und hängen dabei wie Junkies an der Nadel des ewig -schlechte -Nachrichten -aus -aller -Welt verbreitenden Medienstroms . Und oft merken wir nicht einmal mehr, dass uns dabei der Blick aufs – trotzdem – wunderbare Leben abhanden kommt.

Gerhard scheint frühzeitig die vielbesungene gute Fee begegnet zu sein, die ihm diese wichtige Gabe in die Hand gedrückt hat. Die Gabe einfach DA zu sein, bei sich zu sein, sich in aller Ruhe umzusehen und zu hören und sich seine Meinung zu bilden. Vermutlich kam sie – die Fee -in Gestalt seiner Mutter. Wenn ich das über seine Zeit im christlichen Coswiger Elternhaus mit 5 Geschwistern Gelesene richtig interpretiere- dann hatte er da ein warmes Nest , seine täglichen Pflichten und gleichzeitig eine lange Leine.

Er hatte Zeit, die geduldigen Weinbergschnecken zu beobachten , über die Beschaffenheit von Pflanzen und Steinen nachzudenken und konnte dabei seine Phantasie spielen lassen.

Da mir Gerhard Schöne immer sehr schüchtern vorgekommen ist, hätte ich 100%ig auf ein ganz stilles Kind getippt und dafür glatt …0 Punkte bekommen. Man munkelt, er habe Erwachsene mit seiner ewigen Fragerei ziemlich genervt. Aber – wie sagt man so schön – von nüscht kommt nüscht.

Und von diesem „Kind „ da kommt noch immer beeindruckend viel. Ich habe im DDR-Radio über mehrere Jahre hinweg Liedersendungen betreut und dafür Liedermacher beobachtet und befragt. Jeder hatte seine Handschrift, seinen musikalischen Grundton. Gerhard Schöne war immer derjenige, aus dessen Konzerten man wirklich beseelt kam. Diese Mischung aus Trost und Ermutigung, Humor und Aktion war einmalig. Und als er dann noch anfing Feuer zu spucken und irgendwann seinem Publikum vor dem Konzert ganz ernsthaft, nicht als Gag, seine Schuhputzerdienste anbot – da wurde es immer beeindruckender.

Seine Kinderlieder vom Märchenprinzen, von Jule ,dem Meeresbezwinger Thomas und all den anderen sind inzwischen Klassiker und werden mittlerweile in seinen Konzerten von 3 Generationen mitgesungen. Es ist herrlich zu beobachten, wie wechselweise Väter oder Mütter strahlend zu ihren Kindern gucken, ob die denn ihre Lieblingslieder auch so schön und lustig finden wie sie früher.

Absolut erstaunlich finde ich – dass dieser Mann , der offenbar viel besser als andere „Menschen lesen“ kann, und ganz feinziselierte Porträts in Liedern geschaffen hat von Ängstlichen, Linkischen, Schüchternen, Beherzten – dass er im Abschlusszeugnis der Dresdener Musikhochschule ausgerechnet in Psychologie nur ein Befriedigend stehen hat.

Eigentlich hatte er ja schon die Zusage fürs Schauspielstudium in Berlin in der Tasche. Als er aber darauf beharrte, Bausoldat zu werden und als Pazifist definitiv keine Waffe in die Hand nehmen zu wollen , da galt sie nicht mehr.

Gerhard Schöne war nie vordergründig ein Provokateur, aber seine unverrückbaren Ansichten gab er kund, poetisch , aber ganz ohne Schnörkel. Und getreu seinem Motto – Alles muss klein beginnen…. wurde er in der DDR peu a peu zum Ärgernis. Waren es zunächst nur die irgendwie anderen gelben Wellensittiche , die er der Masse von grauen Spatzen gegenüberstellte, wurde seine vertonte Ansprache an den Feind in der Ferne, der doch eigentlich genauso an seinen Kindern und einem friedlichen Alltag hängt wie man selbst ,schon mit Schnappatmung beargwöhnt. Als er schließlich , angeregt, von den Erlebnissen einer Nicaraguareise , sein „Mit dem Gesicht zum Volke“ in den riesigen Palast der Republik hinein sang und rief, da war er plötzlich der politische Liedermacher geworden, dem man am Liebsten Berufsverbot erteilt hätte. Aber das ging nun nicht mehr so einfach wie einst bei Biermann. Faule Kompromisse waren ihm zuwider, auch später noch. Als er zum Kinderfest des Bundespräsidenten eingeladen war und plötzlich vorher seine Texte einreichen sollte- zog er seine Zusage zurück. Diese Art von Kontrolle erinnerte ihn zu sehr an vergangene Zeiten.. So treu er sich als Mensch bleibt, so wandlungsfähig zeigt er sich auf den Bühnen- was die Präsentation der Lieder betrifft. Da gibt es schauspielerische Elemente, da erlebt man unterschiedliche musikalische Verpackungen und immer wieder , neue Songs, neue Texte. Noch immer füllt Gerhard Schöne seine Säle und erzeugt ziemlich zuverlässig Gänsehaut.

Davon konnte ich mich gerade kürzlich in der Kirche in Anklam überzeugen. Und wieder ist mir etwas deutlich geworden, das auch zum Phänomen Gerhard Schöne gehört. Er moderiert z.B. sein Lied über Miguel an, den 12-jährigen Mexikaner, der sich aus lauter Sehnsucht auf den gefährlichen Weg zu seiner Mutter begibt, die in den USA Geld für ihre Familie verdient… und belässt es dabei.

Jeder andere hätte wohl dieses Lied derzeit genutzt, um über Donald Trump zu referieren. Er hat es nicht getan und vermutlich nicht nur, um die Kinder in der Kirche , die mit Eltern und Großeltern da waren , nicht auszuschließen. Nein- Gerhard , der aufmerksam beobachtende Gast auf Erden, der christliche Mitmensch, bleibt ganz bei dem jungen Miguel und seinen Empfindungen, um den Wahnsinn der Welt deutlich zu machen. Wieder so eine kleine schlichte Liedergeschichte , die lange nachwirkt.

Gerhard Schöne gehört nicht zu den Lieblingen des Feuilletons, obwohl er doch ein geradezu bunter Wellensittich ist, der aber eben in der Öffentlichkeit lieber als unauffälliger Spatz erscheint,….. von den originellen Kopfbedeckungen mal abgesehen. Und obwohl er es liebt ,vor Publikum zu stehen, mit ihm zu spielen , zu singen, zu fabulieren, passt auch der Begriff Rampensau für ihn nicht. Viel zu schrill, zu laut für diesen Künstler. Er ist offenbar noch immer ganz bei sich. Mittlerweile selbst Vater mit 6 Kindern , hat er wieder seine klaren familiären Pflichten und wieder lebt er in einer kleinen großen Welt, die ihn beflügelt , in der er nachdenken kann- weitgehend ungestört von medialen Kampagnen. Hier kann er phantasieren ,kreativ sein und auch Kind bleiben . Das Älteste im Hause, ein gewitztes, ein sanftes, weises Kind mit einer alten Seele. So – und wem das hier ein wenig zu sehr nach Heiligsprechung von Vater Theresa klang – den kann ich trösten. Gerhard Schöne ist durchaus alltagstauglich, er fährt auch gern schnelle Autos und nicht etwa mit dem fahrrad oder per Anhalter zum Auftritt. Er erzählt deftige Witze, hört beim Fahren ,wenn er richtig müde ist , beinharte Thriller und hat mit Sicherheit diverse Macken… aber als Bühnenmenschen- mit Betonung auf Mensch – kann man ihn eben wahrlich nicht hoch genug preisen.

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