Mon Ami Weimar: Übers Meer – mit Blick aufs Mehr

von Michael Helbing, Thüringer Allgemeine vom 27.07.2017

Weimar. Da trifft sich was, da trifft sich vieles, wenn Axel Prahl und Andreas Dresen mit Band auftreten. Vor fünf Jahren begann es, im ersten Konzert dieser Spaß-Combo, in Weimar. Dorthin kehrten sie nun zurück mit dem besonderen Charme gleichsam einer Hobby-Band, zu der sich sechs Profis ihrer Fächer verbinden.

Davon lebt dieses Projekt. Und von der Reputation prominenter Protagonisten: als sehr nahbarer Schauspieler beziehungsweise Spielleiter quasi von nebenan, die ihrer Musikalität öffentlich derart frönen, als lade man sich gute Freunde ins Haus.

„Lange Zeit dachte man, ich wär’ ein Ossi“, erzählt der Ostholsteiner Prahl zu Beginn. „Von den Klamotten her könnt‘s hinkommen“, wirft Andreas Dresen ein, dessen Filmen Prahl diese irrige Annahmen zu verdanken hatte. Dann aber singt Prahl ein erstes Lied vom „Gundermann des Westens“: Rio Reiser, „Übers Meer“. Und da trifft sich wieder was: maritime Metaphern auf Leben und Tod, mal melancholisch, mal auch morbide, am poetischen Faden hängen, der sich durchs Konzert zieht.

Lieder Gerhard Gundermanns, der aus Weimar stammte und posthum Anlass und Geburtshelfer der Band wurde, steuern dazu den Fährmann bei, der sie alle holt („Kommen und Gehen“) oder die „Schwarze Galeere“, die noch fliegt. Prahl von der Küste, der selbst Lieder schreibt, singt wortspielend von Überfluss und Überdruss in „Blick aufs Mehr“.

„Leinen los“ heißt auch das ganze Konzert, anspielend auf ein Gundermann-Lied über eine metaphorische Hundeleine; es kommt aber auch ein versunkenes Schiff darin vor. „Komm ins Offene“ könnte dieser zweistündige Abend grenzenloser Freude, die gerade Dresen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekam, auch heißen – hätte er sich nicht beim ausverkauften Stehkonzert im Kulturzentrum Mon Ami in der dünn werdenden Luft einer überfüllten Hafenkneipe ereignet, nur ohne Rauch.

Gejubelt, gefeiert und gesungen haben die Leute dennoch, auch bei Liedern Gisbert zu Knyphausens oder, von Gitarrist Jürgen Ehle intoniert, Wolf Maahns. Einmal singt Dresen Gundermanns „Leine los“, das so beginnt: „Alle Filme, die ich drehen wollte, sind schon gedreht.“ Das ist bei diesem besten, weil auch mutigsten und vielseitigsten aller deutschen Filmregisseure ein Witz im doppelten Sinne. Seinen Gundermann-Film dreht er ja erst im Herbst.

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