Als erstes hörte ich «Sehnsucht nach Veränderung“ im Jahre 88. Lieder ohne Worte, die viele verstanden. Es folgten ein paar Veränderungen und das Wende-Produkt „Pour Vous“. „Pour Vouz“ war mir durchgerutscht. Im Jahr 90 hatte man wohl anderes zu tun als neue ostdeutsche LP`s abzuhören. Außerdem gabs keine. Nur die eine eben. „L` art de Passage“ machte weiter, als wäre nichts gewesen. Intelligente Musik gegen gesellschaftliche Dummheit. Die erste Hälfte der CD ist grandios, aus einem Guß. Tobias Morgenstern erfindet eine „Paris, Paris“-Melodie, die einen durchatmen läßt. Sucht nach Ferne verwandelt sich in heitere Gelassenheit. Stefan Kling zaubert Häuser aus Musik für das vom Erdbeben platt gemachte „Gibellina“. Rainer Rohloff bastelt einen irrwitzigen, traurig-fröhlichen „Tango triste“. Die Zeit spielt mit bei „L` art de Passage“. Sarkastisch, aggressiv, mit höchster Schlagfrequenz feiert Hermann Naehring seine Ankunft als „Fremder im Paradies“. Und betrommelt zugleich seinen Abschied von der Gruppe. Jeder ist virtuoser Bestimmer. Der zweite Teil zerfällt in Einzelstücke. Auf einmal stimmts wieder, wenn Tobias Morgensterns Akkordeon, das eine Weile geschwiegen hat, den Asphalt kühlt. Bei Nantua auf der A 4O . Man kann sich schon vorstellen, warum die nächste CD «Hotel du Tango« heißen wird.
»L `art de Passage« mischt die Welt durch. Epochen, Stile, geographische Fixpunkte wechseln ständig im urwüchsigen, eleganten Spiel auf höchstem Niveau. Die eigensinnige Band dreier Individualisten produzierte ihr zehnjähriges Jubiläum, mit der CD »Jubilee« auswärts, im italienischen Calliano. Weg vom Berliner Alltag, die Hügel von Piemont machen das Herz weit.
Nun, nach weiteren zehn Jahren haben sie ihren Vogelzug nach Süden beendet. Richtig warm sind sie dort wohl nicht geworden. L art de Passage ist wieder hier und immer noch hier. Am Rand. Fern von den Metropolen. Herzlich willkommen und herzlichen Glückwunsch zu 20 Jahre L art de Passage.