Plötzlich ist da Ironie – Die Puhdys zeigen auf ihrer CD „Zufrieden?“ eine unbekannte Seite

von Torsten Wahl, Berliner Kurier

Dieter Birr sitzt mit seinem Produzenten André Kuntze in einem Adlershofer Studio und mischt heimelige Glöckchen unter die Gitarren: Der Sänger und Songschreiber der Puhdys arbeitet am neuen Album „Dezembertage“, mit dem die Band am Weihnachtsgeschäft teilhaben will. In Marketing-Fragen lassen die Puhdys nichts unversucht. Wenn irgendwo im Osten eine neue Werbe-Hymne verlangt wird – die Puhdys stehen bereit: Am Lausitzring ertönen neuerdings ihre „Speed Kings“. Auf dem aktuellen Album „Zufrieden?“ zeigen die alten Rocker ihren bewährten melodiösen Hardrock, beweisen aber unerwartete Selbstironie. In dem Titel „Stars“ machen sie sich über die Deutschrock-Szene lustig, sie selbst eingeschlossen: „Arbeiter- und Bauern-Staat, City, PUHDYS und Karat, Überbleibsel der Antike, sozialistische Musike“. Sie lassen den Schlagerautor Ralph Siegel neue Lieder für die Böhsen Onkelz schreiben, Blümchen bei Knorkator einsteigen und fordern in gespielter Einfalt: „Wir brauchen keine Stars aus Amerika – wir haben doch bei uns schon alles da“. Dabei hatten die PUHDYS selbst einmal einen Appell für eine Deutschrock-Quote im Rundfunk mit unterschrieben – dieser Song klingt wie eine Hymne dafür. Einen solchen Zusammenhang will Dieter Birr aber nicht herstellen. Er betont lieber, dass sie mit dem Song keine Konkurrenten provozieren wollten: „Hinter den Kulissen sind wir Musiker, nur nach außen ist alles Image.“ Einen Kollegen hat Birr sogar vorgewarnt: Peter Maffay („sitzt in Spanien, züchtet Gurken und Geranien.“) sei nicht beleidigt gewesen, sondern habe Humor bewiesen. Das ist neu – in seinen Konzerten erlebt man das nicht. Publicityträchtig hatten die PUHDYS Leser der Bild-Zeitung über ihr Album-Cover abstimmen lassen: Es gab vier Entwürfe, es gewann der mit einer vollbusigen Schönheit in Strapsen an einem Waschbecken. Aber es gehe doch nicht um nackte Haut, sagt Birr, sondern um die blaue Farbe, die falle auf. Noch gewagter ist sein Interpretationsangebot: „Der Blick der Frau könnte auf Einsamkeit hinweisen. Und die nackte Haut könnte ja auch heißen: Hier will jemand sein Inneres preisgeben, oder?“ Der Witz ist gut – und origineller als die Texte, die Birr auf dem Album sonst so singt.

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