Tatort Songschmiede. Heute erscheint mit „Blick aufs Mehr“ die erste eigene CD des Schauspielers Axel Prahl

von Andreas Körner, Dresdner Neuste Nachrichten

Die gute alte Platte ist gottlob nicht tot. Noch immer nicht. 1973 war sie noch nicht einmal ernsthaft in Gefahr. Kein Wunder also, dass ein damals 13-jähriger Axel im holsteinischen Neustadt davon träumte, irgendwann eine Vinylscheibe mit eigenem Namen Prahl in den Händen zu halten. Seit heute ist klar: Es war nicht geprahlt.

Axel Prahl ist jetzt 51 Jahre jung und längst Schauspieler, Wohnort: Berlin, „Tatort“: Münster. Mit seinem Sonntagsdienst als Kommissar Frank Thiel hat er zweimal im Jahr auf einen Schlag Millionen an und auf seiner Seite, das Geschäft im Kino ist mühsamer. Trotzdem zeigt Prahl seit 1999 vor allem dort seine Stärken. Als Polizist („Nachtgestalten“), Bistrobetreiber („Halbe Treppe“), Kleinunternehmer im 19. Jahrhundert („Der ganz große Traum“), Unteroffizier („Der Pianist“), Gebrauchtwagenhändler („Willenbrock“). Er war auch der arbeitslose Herr Moll (!) in „Du bist nicht allein“ und lieferte dabei 2007 die Premiere des Sängers Prahl auf CD. Der massige Kleine mit „Grundwärme, Bodenständigkeit, innerem Leuchten und einer Schweinebegabung“ – so Andreas Dresen – sang ziemlich herzergreifend ein Stück von Roy Black.

Ein Jahr später saßen Regisseur und sein Stammdarsteller gemeinsam auf der Bühne der Berliner Columbiahalle. Der tote und doch so lebendige Liedermacher Gerhard Gundermann wurde mit einem großen und großartigen Konzert geehrt, die beiden Freunde spielten „Vater“ von ihm. Spontan tauchte Prahl immer wieder auch als Musiker auf, 2009 sang er beispielsweise in einem Chemnitzer Club an einem thematischen Madonna-Abend deren „Frozen“. Spätestens danach mochte man ausrufen: Mach‘ mehr, Axel! Mach‘ dir ‘ne Platte!

Er hat es getan. Heute erscheint „Blick aufs Mehr“ auf CD – und LP. 13 plus 1 Songs, eingespielt mit dem eigens gegründeten Inselorchester und dem Deutschen Filmorchester Babelsberg, produziert von Danny Dziuk. Nur eigene Stücke zu bringen, heißt für Prahl eigene Texte, eigene Kompositionen, Gesang und akustische Gitarre. Da legt er vor, da klotzt er ran, da lässt er nichts auf sich kommen. Vor allem reiht er sich mit dieser schönen Sammlung nicht schlicht ein in die immer länger werdende Reihe „jetzt auch noch“ singender Schauspielkollegen. Das hier hat Hand und Fuß und Charakter. Ich gestehe, dass ich die ganze letzte Woche mit diesem Liederpacken zugebracht habe, dass er mir ans Herz gewachsen und mittlerweile guter Kumpel geworden ist. Liegt am Herbst. Liegt an Prahl.

Das Mehr steht natürlich auch fürs Meer, das nicht nur der Künstler in seiner Berliner Wohnung vermisst. Wie ein kleines rotes Segel ziehen sich Wasserbilder durch die 53 Minuten. Nach einer gestrichenen Ouvertüre schließt sich mit „Reise, Reise“ gleich ein dramatischer Shanty an mit dem danach ebenfalls wiederkehrenden Motiv der Erinnerung. Prahl hat bittere, sehr persönliche, nie nur private Trennungslieder dabei, sanfte Liebeslieder sowieso, er lässt tanzen, berührt. Zwischen Hölderlin und Wenzel und Droste textet und singt Prahl sich frei. Musikalisch wird aus dem Material trotz Musette und Walzer, Polka und Klezmer, Chanson und Rock’n’Roll kein Ramschladen draus, denn mit Dziuk hat Prahl nicht nur einen Gleichgesinnten, sondern vor allem einen der Besten auf gleicher „Wellen“länge in seiner Küche. Musiker und Arrangements sind vorzüglich, kleines und großes Orchester finden ihren Platz, die Chöre sind knorrig. Prahl weiß um seinen Stimmumfang und sehr wohl um Modulationen. Da geht es schon mal von Minne bis hoch nach Renft („Liebe hat mir den Tisch gedeckt“). „Weitergehn“ ist die veritable Ergänzung von Bob Dylans „Series Of Dreams“ und das beste Stück! „Schön, dass du da bist“ wird die Jahre überdauern, „Bla Bla Bla“ wäre verzichtbar.

Da war noch was? Münster-Kollege Jan Josef Liefers betreibt ja ebenfalls einen „Tatort Songschmiede“, singt auch, eine Zusammenarbeit läge also auf der Hand: „Nee, das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Axel Prahl. Und bekommt wohl schlagartig etwas ins Auge, muss es sich auswischen, ketzerisch lächeln. Wer genau hinhört, weiß warum.

Als 13-Jähriger nur geträumt, später auf Spaniens Straßen gesungen, jetzt den voll gültigen eigenen Tonträger mit einem Coverbild, fotografiert von Jim Rakete – den Doppel-Axel hat der Prahl sicher gestanden. Und er ist ausbaufähig.

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