Herr Kondschak- Woher kennen Sie Gundermann?

Berliner Zeitung

von Birgit Walter

Mit Heiner Kondschak, Leiter der Randgruppencombo, sprach die Berliner Zeitung

BZ: Herr Kondschak, in einem Rückblick auf das vergangene Jahrhundert im „Schwäbischen Tageblatt“ stellen Sie für sich fest, nichts versäumt zu haben – außer ein Konzert mit Gerhard Gundermann. Es gibt nicht viele Menschen im Westen, die das auch sagen könnten, denn den Sänger kennt da ja keiner. Wieso kennen Sie ihn denn? Warum interessiert Sie als Tübinger Kindertheaterchef dieser tote Lausitzer Baggerfahrer, der Musik gemacht hat?

HK: Ich wollte ihn ja nicht hören. Ich besaß eine Kassette von einer Kollegin, die hatte sie von Verwandten aus dem Osten. Ich wusste, da spielt ein Liedermacher aus Sachsen zwei Stunden zur Gitarre. Ich sagte: Bitte so etwas möchte ich nicht hören – keinen Liedermacher, keine Gitarre, schon gar nicht aus Sachsen. Einmal stand ich im Stau und hatte nichts zu hören als diese Kassette, da dachte ich, schlimmer kann es jetzt auch nicht mehr kommen. Als der Stau vorbei war, bin ich erst mal rechts rangefahren und habe mir das Konzert – es war „Krams“, Gundermanns letzter Liveauftritt – zu Ende angehört. Ich war fassungslos. Das waren Lieder, die mich betreffen, ich fragte mich – woher weiß der das von dir? Gundermann macht ja im besten Sinne Volksmusik. Damit meine ich hohe Kunst, aber eben sehr eingängig, sehr direkt, sehr berührend. Ich habe viel geheult. Ich war also infiziert und fand, dass diese Lieder auch im Westen mal einer hören soll, damit sie nicht einfach untergehen. Dann habe ich mir alle CDs besorgt, Best-of-Kassetten hergestellt und meine Umgebung infiziert. Jeder war begeistert. Wir wollten in Tübingen einen Abend daraus machen. Also, wir sind ein Kindertheater, haben einen knallharten, sehr vollen Spielplan, das ging nur in unserer Freizeit. Aber alle machten mit – wir sind acht Leute, unser Verwaltungsdirektor spielt Trompete, die Sekretärin Geige…

BZ: Wie interessant, Ihre Sekretärin und Ihr Verwaltungsdirektor dürfen auch auf die Bühne. Damit wollen Sie in Berlin auftreten?

HK: Ja ich weiß, das klingt ein bisschen gruselig, aber keine Angst – wir können das. Also wir sind nicht die Seilschaft, die spielt noch auf einem anderen Level. Wir machen auch nicht Gundermann nach, das wäre ja peinlich, wir machen was Eigenes, haben auch Texte über Gundermann eingebaut. Natürlich, wir haben uns extrem gefürchtet. Am 3. Oktober 2000 war Premiere, da kamen sie alle an, die Seilschaft, der Verleger, Conny Gundermann, seine Witwe, und ich wusste, was die denken: Jetzt machen die Wessis auch noch unseren Gundermann zu Kohle. Aber es wurde richtig gut, stehende Ovationen.

BZ: Diese Menschen lieben auch ihren Gundermann, aber was interessiert denn Schwaben an dem Mann aus Hoyerswerda?

HK: Na ja, fragen wir uns auch, Und unser Indentant hat gesagt: Das sind ja schöne Lieder, aber wer soll da kommen? Es ist zudem nicht üblich, jedenfalls nicht hier in Schwaben, dass eine Band spielt im Theater. Hier auf der Schwäbischen Alb sind die Kühe nicht mager wie in Hoyerswerda, von denen Gundermann singt, Hier sind sie fett. Und es gibt keine leeren Kohlegruben, sondern grüne Almwiesen. Baden-Württemberg ist stinkreich, nicht mehr so, wie vor zwanzig Jahren, aber wer hier jammert, tut das auf unanständig hohem Niveau. Doch was soll ich sagen, das Theater ist gerammelt voll, wenn unsere Randgruppencombo Gundermann spielt. Es ist wohl dieses Grundgefühl von Heimat, und Hier-bin-ich-geboren, das Gundermanns Volksmusik vermittelt, das so viele erreicht. Erst kamen nur ein paar eiserne Theatergänger und einige versprengte Ossis, dann hat sich das verselbständigt. Indessen haben wir in Tübingen das ganze Spektrum – Studenten, Punks – „echt cool, ey“, Familien, unglaublich viele Wiedergänger. Die Frau an der Kasse hat sich das schon achtmal angehört. Und Berlin, Dresden, Leipzig und Jena gehörten nicht zu den klassischen Gastspielorten des Tübinger Theaters.

BZ: Gundermann hat keinen Wert gelegt auf Ruhm.

HK: Ja ja, ich weiß, er hat alles anders gemacht als die Schowbranche das vorschreibt. Keine Autogrammkarten, keine Fernsehauftritte, keine Promo-Termine, keine Karte mehr als 15 Mark. Aber die Musik, die verdient doch Popularität.

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